Die US-Wahl könnte für die deutsche Wirtschaft eine Zäsur bedeuten, denn Trump hatte unter anderem Zölle auf Importwaren zum Wahlversprechen gemacht. Die Industrie ist besorgt: Wird "America first" teuer für Deutschland?
Die absehbare Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus verstärkt die Sorgen der derzeit ohnehin schon strauchelnden deutschen Industrie. Der Republikaner hatte im Wahlkampf ankündigt, die US-Wirtschaft mit Zöllen auf Importware zu schützen. "Flächendeckende Zölle von zehn oder gar 20 Prozent auf alle Importe und von 60 Prozent auf Einfuhren aus China würden nicht nur Deutschland und der EU, sondern auch der US-Wirtschaft massiv schaden", teilte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit. "Die Welt braucht weniger und nicht mehr Handelsbeschränkungen", hob der Außenhandelsverband BGA hervor.
Trump hat die US-Präsidentenwahl gewonnen und steht vor der Rückkehr ins Weiße Haus. "Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten", kommentierte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das IW sagt einen "Handelskrieg" voraus, der die deutsche Wirtschaft nach Prognose des Instituts in vier Jahren bis zu 180 Milliarden Euro kosten könnte.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, wertete einen Trump-Sieg ebenfalls als negativ. Damit "beginnt der ökonomisch schwierigste Moment in der Geschichte der Bundesrepublik, weil zur inneren Strukturkrise nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen auf uns zukommen, auf die wir nicht vorbereitet sind."
Industrie sieht Epochenwechsel
Die Industrie sieht einen "Epochenwechsel". "Zu befürchten ist, dass der Ton rauer, der protektionistische Kurs konsequent fortgeführt werden wird", teilte der BDI mit. Die Branche sieht einen Weckruf für Deutschland und Europa. Sie müssten ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Verteidigungsfähigkeit schneller weiterentwickeln. Die chemische Industrie hält dabei auch Freihandelsabkommen und Partnerschaften mit anderen Weltregionen für notwendig.
Ökonomen rechnen damit, dass Trump im nächsten Jahr zunächst nur selektive, schlagzeilenträchtige Zölle verhängen und weitere Maßnahmen androhen könnte. "Für sich genommen könnte eine solche Eskalation der Handelsspannungen dazu führen, dass wir unsere Wachstumsprognose für 2025 für Deutschland (derzeit 0,5 Prozent) um etwa 0,2 Prozentpunkte und unsere Prognosen für andere europäische Länder um etwa 0,1 Prozentpunkte senken", teilten die Volkswirte der Berenberg-Bank mit. Würden die USA tatsächlich einen Zoll von zehn Prozent auf alle Importe aus Europa erheben, könnte der Schaden demnach noch größer ausfallen.
Sorge vor Protektionismus, Hoffnung auf weitere Partnerschaft
Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erklärte: "Die Zölle verteuern nicht nur deutsche Waren in den USA, sondern dürften auch zu Gegenzöllen der EU führen, was den Außenhandel weiter belasten würde." Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau warb: "Unsere Unternehmen bieten die erforderlichen Produkte an, um die von Donald Trump angestrebte Re-Industrialisierung der USA umzusetzen. Der Gesamtausblick des VDMA auf den amerikanischen Markt bleibt daher positiv."
"Ein amerikanischer Präsident kann und darf nie nur und ausschließlich 'America first' sein", stellte der BGA fest. Die USA seien Deutschlands wichtigster Handelspartner und wichtigster Verbündeter in einer Zeit globaler Umbrüche. “Wir setzen auf eine Fortsetzung der traditionell guten transatlantischen Beziehungen." Der Digitalverband Bitkom bemerkte: "Die USA werden auch künftig Europas wichtigster Partner sein. Unser großer Bruder, der in jeder Beziehung seine schützende Hand über uns hält, sind sie aber nicht mehr".
Laurenz Tholen, Partner der Kanzlei Noerr und Co-Praxisgruppenleiter M&A, schätzt die Lage so ein: "In kein anderes Land der Welt exportiert Deutschland derzeit so viel wie in die USA – Autos, Pharmaprodukte oder Maschinen. Es besteht durch eine protektionistische amerikanische Wirtschaftspolitik die Gefahr, dass dieses Geschäft empfindlich gestört wird, indem Trump wie schon in seiner ersten Amtszeit Einfuhrzölle erheben wird". Andererseits sieht Tholen auch Chancen einer weiteren Amtszeit von Trump: "In seiner ersten Amtszeit senkte Trump die Körperschaftsteuer von 35 auf 21 Prozent. Bei einer neuen massiven Steuersenkung besteht einerseits die Gefahr, dass sich das Rekorddefizit der USA noch weiter erhöht. Niedrige Steuern könnten andererseits den Standort Amerika noch attraktiver für Investoren aus Deutschland machen".
Auto-Aktien im Minus, Tesla von Trump-Freund Musk mit starkem Plus
Im deutschen Aktienhandel ist der Automobilsektor zunächst wegen der befürchteten Strafzölle klarer Verlierer. Die Kursverluste reichen von 3,7 Prozent bei Mercedes-Benz über fünf Prozent für BMW bis zu sechs Prozent bei Porsche.
Die Aktien des E-Autobauers Tesla dagegen legten im vorbörslichen US-Handel um mehr als zwölf Prozent zu auf knapp 283 US-Dollar. Tech-Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk stand im Wahlkampf eng an der Seite Trumps.
Der Republikaner war auch der Favorit der Mehrheit der Krypto-Community. Nach den US-Wahlen stieg der Bitcoin auf ein Rekordhoch von etwas mehr als 75.000 Dollar. Auf der Plattform Bitstamp war der Kurs nach Schließung der Wahllokale bis auf 75.080 Dollar geklettert. So teuer war das älteste und bekannteste Digitalgeld noch nie. Der Bitcoin hatte sein bisheriges Allzeithoch am 13. März 2024 mit einem Preis von 73.738 Dollar erreicht.
Zu Fragen abseits der Außenwirtschaft, etwa ob sich Trump selbst begnadigen könnte, berichtet LTO hier.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Industrie fürchtet Zölle nach Trump-Sieg: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55799 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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