Indien ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt und in diesem Jahr offizieller Partner der Hannover Messe. Rund 1000 deutsche Unternehmen sind in dem Land aktiv, der Subkontinent ist daher auch ein lohnender Markt für deutsche Wirtschaftskanzleien. Doch es lauern Gefahren – rechtliche wie kulturelle.
Gemessen an der Kaufkraft ist Indien nach Lesart der Weltbank und der OECD die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Noch vor Japan oder Deutschland. "Kein international aufgestelltes Unternehmen kann es sich leisten, Indien als Markt zu ignorieren", sagt Martin Wörlein, Leiter Team Indien bei Rödl & Partner. "Für die großen Familienunternehmen, die unsere Kanzlei betreut, gehört Indien schlicht ins Portfolio."
Insgesamt arbeiten bei Rödl & Partner in der Beratung mit Bezug zu Indien fast 50 Experten, darunter 15 Rechtsanwälte. Die Kanzlei hat drei Niederlassungen in Indien: in Delhi, Mumbai und Pune – allerdings nur für nicht regulierte Tätigkeiten wie Consulting oder Rechnungslegung. Bei der rechtlichen Beratung arbeitet die Kanzlei wie alle anderen auch mit indischen Kollegen zusammen.
Denn der indische Rechtsmarkt ist streng reguliert. Ausländische Kanzleien dürfen hier keine Rechtsberatung anbieten. Kanzleien aus Deutschland fungieren deswegen vor allem als Brückenkopf zum Subkontinent. Sie geben ihren Mandanten in Deutschland erste rechtliche Einschätzungen, unterstützen beim Markteintritt, begleiten Verhandlungen und koordinieren bei Rechtsstreitigkeiten die Zusammenarbeit mit indischen Kollegen. Und auch als kulturelle Ratgeber sind sie gefragt.
Indische Standorte sind "wartungsintensiv"
Für Wörlein ist klar, dass es in Verhandlungen extrem wichtig ist, beim indischen Verhandlungspartner Vertrauen herzustellen. "Es kann passieren, dass schnelle Lösungen auf der Sachebene keinen Bestand haben, weil sie nicht durch eine persönliche Ebene untermauert wurden. Dann werden Verhandlungsergebnisse plötzlich und unerwartet wieder in Frage gestellt." Man könne auch von einem sehr "wartungsintensiven" Standort sprechen, der viel Pflege benötige.
Dr. Oliver S. Hartmann, Gründer der Deutsch-Indischen Kanzlei InDe Rechtsanwälte und Präsident der Deutsch-Indischen Juristenvereinigung, hat zum indischen Markenrecht promoviert. Der Rechtsanwalt unterstützt deutsche Unternehmen insbesondere beim Markteintritt und beim Schutz geistiger Eigentumsrechte auf dem Subkontinent. Schließlich ist da einiges zu bedenken.
"Es gibt den typischen Fall, dass Unternehmen einen indischen Vertriebspartner mit der Akquise beauftragen", sagt Hartmann. "Doch wenn ein indischer Vertriebspartner mit den Visitenkarten des Unternehmens durch Indien fährt und dort Kontakte knüpft, kann das schon bedeuten, dass man in Indien eine indische Betriebsstätte hat – für die man auch Steuern zahlen muss." Da wäre es eventuell günstiger gewesen, vor Ort eine Gesellschaft zu gründen, die mit derselben Aufgabe betraut ist.
Großer Vorteil: Indien ist ein Rechtsstaat
Hartmann sieht in Indien großes Potenzial. Zwar wären manche Entscheidungswege länger als etwa in China, mit dem Indien vor allem wegen der Größe der Bevölkerung von über einer Milliarde Menschen oft verglichen wird. "Doch dabei wird vergessen: Indien ist ein Rechtsstaat und gleichzeitig die größte Demokratie der Welt", sagt Hartmann. Richter sind unabhängig und gut ausgebildet, und die Gesetzgebung ist durchaus als fortschrittlich zu bewerten.
Etwa bei Fällen des geistigen Eigentums funktioniert außerdem das System des einstweiligen Rechtsschutzes gut. Bis entsprechende Unterlassungsverfügungen ausgesprochen werden, dauert es in eindeutigen Fällen zuweilen nur wenige Wochen. Schadenersatzklagen hingegen ziehen sich schon einmal hin. Wichtiger ist es dann, einvernehmliche Lösungen zu finden. Und am besten Verträge schon so zu stricken, dass es gar nicht erst zu Auseinandersetzungen vor den indischen Gerichten kommt.
Henning Zander, Deutsche Kanzleien im Ausland: . In: Legal Tribune Online, 09.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15134 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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