"Langsamer Richter": Schulte-Kel­ling­haus erhebt Ver­fas­sungs­be­schwerde

26.08.2020

Für seine langsame Arbeitsweise bekam OLG-Richter Thomas Schulte-Kellinghaus im Jahr 2012 einen Rüffel von der damaligen Gerichtspräsidentin. Der BGH hielt das im Mai für rechtmäßig. Nun zieht der "langsame Richter" nach Karlsruhe.

Der langjährige Rechtsstreit um das Arbeitstempo des Richters Thomas Schulte-Kellinghaus geht weiter. Der Richter hat Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mai erhoben. Dies teilte seine Anwältin, Christina Gröbmayr, am Dienstag mit.

Schulte-Kellinghaus ist Richter am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe und wehrt sich seit Jahren gerichtlich gegen den Vorhalt der ehemaligen OLG-Präsidentin Christine Hügel, er erledige zu wenige Fälle. Hügel hatte seine Erledigungszahlen mit dem Pensum anderer Richter am OLG Karlsruhe verglichen und kritisiert, Schulte–Kellinghaus unterschreite das durchschnittliche Erledigungspensum "ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche". In den Jahren 2008 bis 2010 habe seine Erledigungsleistung nur etwa 68 Prozent der von anderen OLG-Richtern in diesem Zeitraum durchschnittlich erledigten Verfahren entsprochen. 

Schulte-Kellinghaus sieht darin einen Eingriff in seine richterliche Unabhängigkeit. Er arbeite nicht einfach nur weniger als seine Kollegen, sondern gehe vielmehr besonders gründlich vor. Das baden-württembergische Dienstgericht und der Dienstgerichtshof beim OLG Stuttgart hatten die Rüge der Präsidentin aber bestätigt.

Fall beschäftigt BVerfG nicht zum ersten Mal

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall im Jahr 2017 zunächst aufhob und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwies, hielt der BGH den Rüffel der damaligen OLG-Präsidentin im Mai dieses Jahres für rechtmäßig. Die Maßnahme der OLG-Präsidentin stelle keinen Verstoß gegen die richterliche Unabhängigkeit dar, so der BGH. Die Präsidentin sei berechtigt, Richter zu einer sachgerechten Rechtsanwendung anzuhalten. Diese müsse sich laut BGH an den durchschnittlichen Erledigungszahlen anderer Richter orientieren.

Gegen dieses Urteil zieht Schulte-Kellinghaus nun vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Seiner Auffassung nach verstoße die BGH-Entscheidung gegen das Verfassungsprinzip der richterlichen Unabhängigkeit und missachte das rechtsstaatliche Prinzip der Gesetzesbindung. Rechtanwältin Gröbmayr führte dazu aus: "Das Verfahren vor den Dienstgerichten hat gezeigt, dass das Bundesverfassungsgericht grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen klarstellen muss, die weit über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Unabhängigkeit der Gerichte in Deutschland haben."

Viel Zeit bleibt Schulte-Kellinghaus nicht, denn der 65-jährige Richter wird schon im Sommer 2022 pensioniert. Der Richter hatte deshalb schon nach der ersten BGH-Entscheidung im Jahr 2017 versucht, das BVerfG zu einer Entscheidung zu bewegen. Das BVerfG hielt dies aber für unzulässig. Da der BGH die Sache an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen hat, sei der Rechtsweg noch nicht erschöpft.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

"Langsamer Richter": . In: Legal Tribune Online, 26.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42600 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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