Justiz gegen Wirtschaftskriminalität: Ohne Lai­en­richter, mit Spe­zia­listen

von RiBGH Prof. Dr. Andreas Mosbacher

08.11.2017

2/2: Wirtschaftsstrafrecht ein unbeliebter Bereich an Landgerichten

Doch auch die Justiz kann im Umgang mit Wirtschaftsstrafsachen noch besser werden. In großen Wirtschafts- und Steuerstrafsachen werden die rechtlich kompliziertesten Sachverhalte verhandelt, die es im Strafrecht gibt. Großer juristischer Sachverstand muss sich mit besonderem Organisations- und Verhandlungsgeschick paaren. Die Justiz braucht hierfür besonders gute und motivierte Leute.

Bislang wollen viele am Landgericht in diesem Bereich nicht arbeiten: Zu lange und zu komplizierte Verfahren, zu wenige Erfolgserlebnisse, zu viele alte Verfahren, die den Aufwand einer mehrmonatigen Hauptverhandlung angesichts immer schlechter werdender Beweislage und des erwartbaren Strafabschlags nicht wert scheinen. Die Arbeit in der Wirtschaftsstrafkammer muss sich angesichts dieser Schwierigkeiten für die Beteiligten mehr lohnen. Um die Arbeit in diesem Bereich attraktiver zu machen und gute Leute anzuziehen, sollte man diese Stellen mit Zulagen nach den jeweiligen Besoldungsgesetzen der Länder versehen und eine mehrjährige erfolgreiche Tätigkeit in einer Wirtschaftsstrafkammer als Erprobung gelten lassen.

Ganz wichtig sind auch die Auswahl und Fortbildung der Richter und Staatsanwälte. Die besten Absolventen im Wirtschaftsstrafrecht werden von Wirtschaftsstrafrechtskanzleien angeworben. Dort arbeiten sie dauerhaft in ihrem Spezialbereich und können schon früh eine Menge Geld verdienen. Um gute Leute zu bekommen, muss die Justiz gezielt Perspektiven für sie entwickeln. Warum nicht eine Art "Sonderschiene" für diejenigen bereitstellen, die bereit sind, sich diesem Thema auf einige Dauer zu verschreiben? Erst mit einer solchen Perspektive lohnt sich auch die aufwändige Aus- und Fortbildung, die Justizjuristen in diesem Bereich unbedingt brauchen, um mit den hoch spezialisierten Verteidigern mithalten zu können.

Mit einem mehrwöchigen Einführungskurs (wie im Steuerstrafrecht an der Bundesfinanzakademie) muss die Grundlage im materiellen wie im Prozessrecht gelegt werden. Anschließend sind jährlich mehrtägige Fortbildungen zu Einzelthemen und aktuellen Entwicklungen notwendig. Gezielt gelehrt werden muss von erfahrenen Praktikern die effektive Verhandlungsführung in Groß- und Umfangsverfahren. Das Pensum muss auf diesen Fortbildungsbedarf Rücksicht nehmen. Wie machen es denn die großen Wirtschaftsstrafrechtskanzleien? Deren Mitarbeiter trifft man regelmäßig auf Fortbildungsveranstaltungen, wo hochkarätige Referenten die aktuellen Entwicklungen im Wirtschaftsstrafrecht beleuchten und man in Fachkreisen intensiv die Rechtsfragen diskutiert. Teilnehmer aus der Justiz? – Fehlanzeige!

Angst vor den Kosten einer "Richterausbildung"?

Denn gute Referenten im Wirtschaftsstrafrecht kosten Geld und die Fortbildungsveranstaltungen sind nicht billig. Keine Justizverwaltung ist bisher bereit, wirklich Geld in die Hand zu nehmen, um die eigenen Leute auf einem den Problemen angemessenen Niveau fortzubilden.

Das rächt sich nicht selten. Gerade im Wirtschaftsstrafrecht kommt es mehr als anderswo darauf an, den Fall vom anwendbaren Recht her zu denken. Nur wer genau weiß, welche Merkmale die oft verschachtelten und mit Verweisen gespickten Strafnormen in der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung voraussetzen, kann seine Sachverhaltsaufklärung exakt daran ausrichten. Wer sich dagegen ohne diese Kenntnisse in der allgemeinen Sachverhaltsaufklärung verliert, prozessiert meist unnötig lange an den eigentlichen Problemen des Falls vorbei. Nur juristisch wirklich versierte Richter und Staatsanwälte können auch mit den bekannten "Nebelkerzen" umgehen, die im Wirtschaftsstrafrecht nicht selten von gut bezahlten Verteidigern gezündet werden, um vom eigentlichen Tatvorwurf abzulenken. In Nebensächlichkeiten verwickeln lässt sich nur der, der nicht genau weiß, worauf es ankommt.

Was wir brauchen, ist eine Art Masterplan "Wirtschaftsstrafrecht 2020". In einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern müssen gezielt Strukturen geschaffen werden, die der Justiz den effektiven Umgang mit Wirtschafts- und Steuerkriminalität ermöglichen. Wer sich hier weiter im Klein-Klein verliert oder gar denkt, mit der Schaffung neuer Straftatbestände wäre schon genug getan, hat den Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität bereits halb verloren.

Der Autor Prof. Dr. Andreas Mosbacher ist Richter im 5. (Leipziger) Strafsenat des BGH und Honorarprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht, insbesondere Wirtschaftsstrafrecht und Revisionsrecht, der Universität Leipzig

Zitiervorschlag

Justiz gegen Wirtschaftskriminalität: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25433 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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