Die Justizministerkonferenz will den Reformbedarf im Strafverfahren diskutieren. Solchen hat es insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht, meint Andreas Mosbacher. Laienrichter seien ebenso wie ihre hauptberuflichen Pendants häufig überfordert.
Große Wirtschaftsstrafverfahren dauern häufig viel zu lange. Im Falle einer Verurteilung gibt es oft Abschläge auf die eigentlich verdiente Strafe. Das kann nicht richtig sein. Eine "spürbare Stärkung der Justiz" im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht hat der Bundesgerichtshof bereits vor zwölf Jahren angemahnt (Urt. v. 2.12.2005, Az. 5 StR 119/05). Seitdem ist zwar einiges passiert, die Lage der Justiz hat sich aber nicht spürbar gebessert.
Nach dem Eindruck vieler Fachleute schaffen wir es nicht, Wirtschafts- und Steuerstraftaten effektiv aufzuklären, zu verfolgen und zu bestrafen. Die Verfahren liegen nach Anklage teilweise jahrelang bei den Gerichten. Woran liegt das? Sicher ist die Materie häufig komplex und die technischen Möglichkeiten führen dazu, elektronisch gespeicherte Informationen in kaum mehr bewältigbarer Fülle anzuhäufen. Gut bezahlte und hochspezialisierte Verteidiger haben da oft leichtes Spiel. Aber die Justiz muss sich auch fragen, was bei ihr noch verbessert werden kann.
So sind Schöffen in großen Wirtschaftsstrafverfahren nicht selten fehl am Platz. Als juristische Laien haben sie oft Probleme, die zumeist komplizierten Tatvorwürfe zu verstehen. Bilanzen lesen oder komplizierte Steuervermeidungsmodelle nachvollziehen, überfordert schon viele Richter und erst Recht juristisch nicht vorgebildete Schöffen. Der Autor hat in den über fünf Jahren, in denen er eine große Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Berlin geleitet hat, mit vielen honorigen und engagierten Schöffen gemeinsam Recht gesprochen. Aber vormachen darf man sich nichts: Ohne wirtschaftlichen und juristischen Sachverstand können die Schöffen ihre Aufgabe, mit gleicher Stimme wie die Berufsrichter den Fall mitzuentscheiden (§ 30 GVG), nicht bewältigen. Stundenlange Beratungen, in denen man versucht, den Schöffen die juristischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge des Falls zu erklären, halten nicht selten unnötig den Betrieb auf.
Auf Schöffen in Wirtschaftsstrafkammern verzichten
Die Auswahl wirtschaftlich besonders vorgebildeter Schöffen wie bei den Kammern für Handelssachen könnte eine Lösung dieses Problems sein. Dort werden die ehrenamtlichen Richter auf Vorschlag der Industrie- und Handelskammern ernannt (§ 108 GVG). Die beruflich im Wirtschaftsleben erfahrenen Schöffen heißen "Handelsrichter" (§ 45a DRiG) und sind zumeist eine wertvolle Bereicherung bei der Rechtsfindung. Bei großen Wirtschaftsstrafsachen gibt es für diesen Personenkreis allerdings ein Handicap: Wer noch voll im Beruf steht, kann sich den Ausfall durch eine monate- oder gar jahrelange Hauptverhandlung mit zwei vollen Sitzungstagen in der Woche einfach nicht leisten.
Soll man deshalb nur auf Ruheständler zurückgreifen? Vielleicht wäre es ehrlicher zuzugeben, dass die Laienbeteiligung im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht an ihre Grenzen stößt. Ob ein Raub stattgefunden hat, man einem Zeugen glaubt oder die Strafe für einen Totschlag bemisst – alles dies sind Fragen, bei denen die Beteiligung von Laienrichtern sinnvoll sein kann. Sie sichern nicht nur die Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung, sondern dienen auch der Kontrolle der Justiz.
Wo es dagegen um Rechtsfragen geht wie etwa in Revisionsstrafsachen, werden Laienrichter aus guten Gründen nicht beteiligt. Dies spricht dafür, auch in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen auf Laienrichter zu verzichten. Damit würde zudem ein Risikofaktor für den Verfahrensabschluss beseitigt: Dauern die Verfahren monate- und jahrelang, kann die Erkrankung eines Schöffen ein Großverfahren zum Platzen bringen, sofern kein Ergänzungsschöffe (mehr) bereit steht. Der Gesetzgeber könnte einfach folgenden Satz 3 bei § 76 Abs. 1 GVG anfügen: "Die Wirtschaftsstrafkammern (§ 74c) sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt."
Die Idee, die Beteiligung von Schöffen in Verfahren vor den Wirtschaftsstrafkammern abzuschaffen, ist auf Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern bereits diskutiert worden, von der aktuellen Tagesordnung der Justizministerkonferenz aber wieder kurzfristig gestrichen worden.
Justiz gegen Wirtschaftskriminalität: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25433 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag