Wahlrecht darf kompliziert sein
Sind alle Wahlgesetze verfassungswidrig, weil die Bürger die Details nicht verstehen? Im April verhandelte der Zweite Senat über das 2020 von der Großen Koalition beschlossene Bundestagswahlrecht.
Dabei hatte auf dieses Verfahren niemand mehr gewartet. Die Ampel-Koalition hatte zwischenzeitlich schon ein neues Bundestagswahlrecht vorgelegt, gegen das wiederum CDU und CSU vorgehen. Die 216 Abgeordneten von FDP, Linken und Grünen, die die Normenkontrollklage gegen das GroKo-Gesetz eingereicht hatten, stellten sogar einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens – doch der Zweite Senat lehnte ab. Zumindest Berichterstatter Müller, die Senatsvorsitzende Doris König und Verfassungsrichter Ulrich Maidowski wollten grundsätzlich die Frage diskutieren, wie komplex das Wahlrecht denn nun sein darf.
Tatsächlich verfassten diese drei ein Sondervotum, sie halten darin das Gebot der Normenklarheit für verletzt die Reform von 2020 für verfassungswidrig. Überzeugen konnten sie die Senatsmehrheit jedoch nicht. Im Ergebnis wies der Zweite Senat den Normenkontrollantrag ab. Die Reform beeinträchtige zwar die Stimmengleichheit gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG) sowie die Chancengleichheit der Parteien gemäß Art. 21 Abs. 1 GG, das sei aber im Rahmen der personalisierten Verhältniswahl gerechtfertigt (Urt. v. 29.11.2023, Az. 2 BvF 1/21). Die Berechnung der konkreten Sitzzuteilung sei nun mal komplex, da müsse nicht jeder Bürger alle Einzelheiten der gesetzlichen Regelung verstehen.
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 28.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53501 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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