Der Zweite Senat bescherte dem Land eine Haushaltsdebatte, Wiederholungswahlen in Berlin und viele enttäuschte Cannabis-Freunde. Neben neuen Kolleginnen und Kollegen gab es auch einen neuen Adler – und Schüsse aus dem Luftgewehr.
Neue Kollegen, Fast-Verfassungsrichter und ein moderner Adler
Die Besetzung in Karlsruhe wurde 2023 kräftig durchgerüttelt: Im Mai verabschiedeten sich Prof. Dr. Susanne Baer und Prof. Dr. Gabriele Britz – beide aus dem Ersten Senat, beide Rechtsprofessorinnen, Baer bekannt wie ein Rockstar, Britz öffentlich zurückhaltend, aber Berichterstatterin etwa beim Klimabeschluss – mit hörenswerten Reden. Im Zweiten Senat beendeten gleich vier Richterinnen und Richter ihre Amtszeit. Schon Anfang des Jahres gingen Monika Hermanns und Prof. Dr. Peter M. Huber, kurz vor Weihnachten schieden auch Dr. Sibylle Kessal-Wulf und Peter Müller aus dem Amt.
Kessal-Wulf hinterließ als Berichterstatterin das aufsehenerregende Urteil zur Schuldenbremse und eine enttäuschte Cannabis-Community, die gehofft hatte, dass Karlsruhe seine Rechtsprechung zum strafbewehrten Cannabis-Verbot aus den neunziger Jahren vielleicht doch überdenken würde. Die 3. Kammer des Zweiten Senats wies 13 entsprechende Richtervorlagen ab und es blieb alles beim Alten. Peter Müller hatte als Berichterstatter für Wahl- und Parteienrecht in seinem letzten Amtsjahr gleich drei große Auftritte, mit Urteilen zur Finanzierung politischer Stiftungen, zur Wahlrechtsreform von 2020 und zu den chaotischen Wahlen in Berlin.
Bis zum Ende des Jahres kann man sechs neue Verfassungsrichter zählen: Prof. Dr. Martin Eifert und Dr. Miriam Meßling im Ersten Senat, Dr. Rhona Fetzer, Thomas Offenloch sowie den bisherigen Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank und den Bundesverwaltungsrichter Dr. Holger Wöckel im Zweiten Senat. Bei so viel Rotation ging nicht alles glatt: Außer den neuen gab es auch zwei Fast-Verfassungsrichter, was doch recht ungewöhnlich ist. Eigentlich hatten sich CDU und CSU nämlich beim Vorschlag für die Müller-Nachfolge schon auf den ehemaligen bayerischen Justizminister Winfried Bausback geeinigt, als ihnen auffiel, dass er die "falsche" Doktorarbeit geschrieben hatte. Und auch die Britz-Nachfolge war holprig: Die SPD wollte zuerst Lars Brocker durchsetzen, verstieß dabei aber gegen eine Vereinbarung, nach der für diese Stelle eine Bundesrichterin zu suchen war – die dann mit Meßling gefunden wurde.
Der Adler, der den Schriftverkehr des Bundesverfassungsgerichts ziert, bleibt, aber er erhielt von der Agentur Mosaik Management zum Preis von 84.622 Euro ein Make-over, trägt nun modisch geglättete Schwingen und streckt auch nicht mehr die Zunge aus dem Schnabel. Man wolle damit bürgernäher werden, erklärte die Pressestelle, überzeugen konnte das nicht alle.
Auch eine andere Tradition wurde vorsichtig weiterentwickelt. Der 80. Geburtstag des ehemaligen BVerfG-Präsidenten Hans-Jürgen Papier wurde mit einer eigens gestalteten Feierstunde, Musik und Brokkoli-Quiche begangen – während man zu Ernst Bendas Zeiten, nämlich 2005, noch in ein Karlsruher Restaurant gegangen war. Der nächste 80. Geburtstag eines ehemaligen Präsidenten, Andreas Voßkuhle, steht erst 2043 an. Man darf gespannt sein.
Völlig unklar ist nach wie vor, was einen 41-jährigen dazu bewogen hat, auf dem Gelände des BVerfG mit einem Luftdruckgewehr in Richtung eines Polizisten zu schießen – glücklicherweise ging dieser Vorfall jedoch glimpflich aus.
Und damit ein Blick auf einige wichtige Entscheidungen:
Sollte man kennen: . In: Legal Tribune Online, 28.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53501 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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