Genehmigung von Rüstungsexporten: Im Verborgenen

von Dr. Viktor Winkler LL.M. (Harvard)

02.07.2014

2/2: Klaffende Rechtsschutzlücke

Bedenklicher als der Mangel an Transparenz (für den es gute Gründe gibt), ist der Mangel an Rechtsschutz. Das beginnt mit der Genehmigung selbst. Ihr bedarf, wer Rüstungsgüter ausführen möchte. Schwer schlucken muss der Verwaltungsrechtler schon bei dem Umstand, dass der Bundeswirtschaftsminister eine Ausfuhr im Einzelfall auch dann untersagen kann, wenn das Bundesamt eben diese Ausfuhr zuvor genehmigt hat. Endgültig problematisch wird es freilich dadurch, dass Gerichte diese sehr weitgehende Befugnis nicht auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen können – der Minister hat hier einen weiten Beurteilungsspielraum.

Ein Grund für Besorgnis? Ja, weil es hier nicht nur um die Unternehmen geht. Wen die hier betroffenen Arbeitsplätze (es dürften etwa 250.000 in der Branche sein) nicht umtreiben, sollte zumindest mit Blick auf den Rechtsstaat die Stirn in Falten legen. Ein Jurist muss lange überlegen, in welchem Bereich des Rechts eine so eingriffsintensive Ermächtigung für die Exekutive ohne gerichtliche Nachprüfungsmöglichkeit besteht.

Sorgen bereitet, dass es um erhebliche Grundrechtseingriffe geht. Auslandsgeschäfte haben in der Branche regelmäßig ein großes Volumen. Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, leben daher von solchen Exporten (der Exportanteil der Branche beträgt etwa 40 Prozent). Umfassende Vertragsverhandlungen sind die Regel, die Transaktionskosten meist enorm. Das Bundeswirtschaftsministerium kann gleichwohl das genehmigte Geschäft unterbinden, ohne dass die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung überprüft werden kann – es sei denn auf Willkür und andere außergewöhnliche Fehler, die regelmäßig nicht nachzuweisen sind (oder schlicht nicht gemacht werden).

Bundessicherheitsrat tagt im Verborgenen

Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Bereits die konventionelle Genehmigung selbst geht im Strudel der angeblich nicht gerichtlich überprüfbaren Entscheidungen unter: Ausfuhrgenehmigungen werden gemäß § 8 Abs. 1 Außenwirtschaftsgesetz erteilt, wenn zu erwarten ist, dass die Sicherheit der Bundesrepublik oder auswärtige Interessen nicht oder nur unwesentlich gefährdet werden oder wenn das volkswirtschaftliche Interesse überwiegt. Sicherheit der Bundesrepublik und auswärtige Interessen fallen regelmäßig in den gerichtlich nicht überprüfbaren Bereich. Anders als im sonstigen besonderen Verwaltungsrecht üblich, soll zudem nicht einmal die "Gefahr" für diese Interessen gerichtlich überprüfbar sein. Gleiches gilt wohl für das "volkswirtschaftliche Interesse", das übrigens gerade nicht mit dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers entsprechen soll.

Bei politisch brisanten Entscheidungen sind die Antragsteller ohnehin dem Bundessicherheitsrat ausgeliefert. Dieser Kabinettsausschuss aus Bundeskanzlerin und einschlägigen Ministern (Auswärtiges, Inneres, Justiz, Finanzen, Wirtschaft, Verteidigung, wirtschaftliche Zusammenarbeit) entscheidet über politisch brisante Rüstungsexportanträge. Auch hier stehen Macht und Kontrolle in einem Verhältnis, dass einem ganz schwindelig wird. Bekannt ist der Bundessicherheitsrat praktisch nur Experten. Er tagt – die Formulierung sei erlaubt – tatsächlich im Verborgenen, denn seine Beschlüsse sind geheim und die Ablehnung einer Genehmigung ergeht zum Schluss nicht durch ihn, sondern die jeweils für das Genehmigungsverfahren formal zuständige Behörde.

Der Bundessicherheitsrat entscheidet über diese politisch relevanten Ausfuhren, ohne dass irgendwo festgeschrieben wäre, was politisch relevant ist und in welchem Verfahren eine Entscheidung darüber getroffen wird – in keinem der einschlägigen Ausfuhrgesetze wird der Bundessicherheitsrat auch nur erwähnt. Im Grundgesetz (GG) ist der Bundessicherheitsrat nicht vorgesehen. Art. 26 Abs. 2 GG legt die Entscheidung über die Ausfuhr von Kriegswaffen ausdrücklich in die Hand "der Bundesregierung" und nicht in jene eines Bundessicherheitsrates, in dem überdies der Generalinspekteur der Bundeswehr beratende Funktionen wahrnimmt und der Chef des Bundespräsidialamts einen Beobachterstatus hat.

Unternehmen sollten gegen versagte Genehmigungen klagen

Dieses Rechtsstaatsloch kann niemand wollen. Zur deutschen Wirtschaft gehört auch die deutsche Rüstungswirtschaft. Und zum Rechtsstaat gehört, dass die Exekutive nicht völlig ungebunden sein darf, zu keinem Zeitpunkt, an keiner Stelle und ganz gleich, wie berechtigt die politischen Anliegen sind.

Natürlich gibt es wenige Bereiche, die politischer sind. Und natürlich geht es um Sicherheit, national wie international. Aber das darf den Rechtsschutz nicht aushöhlen. Mit Art. 19 Abs. 4 GG, also der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gegenüber dem Staat, ist die gegenwärtige Praxis nicht vereinbar.

Unternehmen sollten künftig gegen versagte Genehmigungen klagen, damit spätestens in Karlsruhe, vielleicht aber schon in Leipzig oder bei einem Verwaltungsgericht dieses eklatante Rechtsschutzdefizit einmal auf den Prüfstand kommt. Ein wenig Mut ist dafür schon nötig. Erdrückend scheint die Phalanx aus politischem Gegenwind und Beurteilungsspielraum der Bundesregierung. Und doch: Wütend darüber, dass das Exportkontrollrecht ein juristisches Bermuda-Dreieck ist, dürfen getrost auch die "Gegner" der Rüstungsindustrie sein. Denn wenn Martin Luther King Recht hatte, trifft und betrifft auch dieses Bermuda-Dreieck uns alle: "Injustice anywhere is a threat to justice everywhere."

Der Autor Dr. Viktor Winkler LL.M. (Harvard) ist Rechtsanwalt für öffentliches Wirtschaftsrecht bei der internationalen Kanzlei Bird & Bird in Frankfurt am Main.

Zitiervorschlag

Genehmigung von Rüstungsexporten: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12421 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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