Die Oppositionsparteinen im Sächsischen Landtag (Linke, SPD und B 90/Die Grünen) haben beim Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen einen Normenkontrollantrag gestellt. Bestimmte Teile des Sächsischen Versammlungsgesetzes werden als verfassungswidrig gerügt.
Der Landtag des Freistaates Sachsen hatte Anfang des Jahres mit der Mehrheit der CDU/FDP-Koalition ein Landes-Versammlungsgesetz beschlossen. Es löste das Bundes-Versammlungsgesetz ab.
Grundlage für landeseigene Versammlungsgesetze ist die sogenannte Föderalismusreform aus dem Jahre 2006. Danach bekamen die Länder durch Grundgesetzänderung unter anderem die Befugnis, eigene Versammlungsgesetze zu erlassen. Von dieser Möglichkeit haben bisher die Länder Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt Gebrauch gemacht.
Während Bayern und Sachsen-Anhalt eigene Versammlungsgesetze erlassen haben, hat der Freistaat Sachsen das bisherige Bundes-Versammlungsgesetz im Wesentlichen übernommen. Nur im Zusammenhang mit Versammlungsverboten nach § 15 sind zusätzliche sachsenspezifische Regelungen getroffen worden.
Versammlungsverbot, wenn Gewaltherrschaft verharmlost wird
So besteht jetzt die Möglichkeit des Verbots von Versammlungen, welche die "national-sozialistische" oder die "kommunistische Gewaltherrschaft" verharmlosen bzw. die Opfer dieser Gewaltherrschaften oder Kriege in ihrer Würde verletzen.
Das Gesetz ermöglicht außerdem Versammlungsverbote für bestimmte Örtlichkeiten, zum Beispiel das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig oder die Frauenkirche mit Umgebung in Dresden.
Ziel von §15 des Sächsischen Versammlungsgesetzes (SächsVersG) ist es in erster Linie, Neonazi-Aufmärsche und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen am Jahrestag der Zerstörung Dresdens zu verhindern.
Dagegen richtet sich im Wesentlichen der Normenkontrollantrag der Oppositionsfraktionen im Sächsischen Landtages. Gerügt wird ein Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Grundgesetz (GG) sowie die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 GG.
Bei § 15 SächsVersG handele es sich um gegen bestimmte Meinungsinhalte gerichtetes Sonderrecht.
Der Schutz bestimmter Gedenkorte sei nicht abschließend. Deshalb könnten die Versammlungsbehörden zur Einschränkung des Versammlungsrechts weitere Orte benennen. Eine derartige Festlegung dürfe aber nicht durch die Behörden getroffen werden.
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs
Der Sächsische Verfassungsgerichtshof entscheidet über diesen sogenannten abstrakte Normenkontrollantrag nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 der Sächsischen Verfassung.
Das weitere Verfahren richtet sich nach § 23 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen. Kommt der Verfassungsgerichtshof zu der Überzeugung, dass Landesrecht, konkret hier Teile des Landes-Versammlungsgesetzes, mit der Landesverfassung unvereinbar sind, so werden die zur Prüfung gestellten Bestimmungen für nichtig erklärt. Die Erfolgsaussichten des Antrags sind offen.
Aber zumindest bezüglich der Problematik des Verbots von Versammlungen, welche die nationalsozialistische oder kommunistische Gewaltherrschaft verharmlosen oder die Würde der Opfer verletzen, sind die verfassungsrechtlichen Bedenken nachvollziehbar. Mehrere Sachverständige haben sich in der Anhörung vor Erlass des Versammlungsgesetzes in dieser Beziehung bereits geäußert.
Der Autor Regierungsdirektor Klaus Weber ist Verfasser zahlreicher Abhandlungen zum Versammlungsrecht. Im Mai 2010 hat er das Werk "Sächsisches Versammlungsrecht" veröffentlicht (Handbuch mit Kommentar).
Klaus Weber, Versammlungsgesetz Sachsen : . In: Legal Tribune Online, 02.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1346 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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