Empfehlungen des 57. Verkehrsgerichtstags: Ver­kehrs­ju­risten for­dern Alko­lock-Weg­fahr­sperren

von Hasso Suliak

25.01.2019

Die Verkehrsrechtler haben sich auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar für eine "zeitnahe" Hardware-Nachrüstung bei Diesel-Fahrzeugen ausgesprochen. Außerdem fordern die Juristen die Einführung von Alkolock-Wegfahrsperren für Promille-Sünder.

Der 57. Verkehrsgerichtstag (VGT) ist am Freitag mit einer Reihe von Empfehlungen an den Gesetzgeber zu Ende gegangen. Unter anderem fordern die Juristen nach ihren dreitätigen Beratungen in Goslar die Einführung von sogenannten Alkohol-Interlock-Programmen (Alkolocks) – "als Ergänzung zu dem bestehenden Maßnahmensystem für alkoholauffällige Kraftfahrer, um Fahrten unter Alkoholeifluss zu verhindern".

Bei Alkolocks handelt es sich um eine ins Auto eingebaute Wegfahrsperre, die mit einem Atemalkohol-Messgerät kombiniert ist und bei einem Messwert den Fahrer an der Weiterfahrt hindert. Getestet werden sollen die Geräte allerdings zunächst im Wege eines Modellversuchs. Bewähren sie sich, sollen sie fortan im Strafgesetzbuch (StGB) und in der Strafprozessordnung (StPO) in drei Varianten zum Einsatz kommen:

Als Alternative zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111 a StPO bzw. Sicherstellung oder Beschlagnahme (§ 94 StPO), als Ausnahmen von der Sperrfrist, die die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis betrifft (§ 69a Abs. 2 StGB) bzw. sperrfristverkürzend (§ 69a Abs. VII StGB) und als Alternative zum Fahrverbot nach § 44 StGB. Im gewerblichen Personen- und Güterverkehr sprachen sich die Verkehrsrechtler "aufgrund des erhöhten Gefahrenpotentials" für einen europaweit verpflichtenden Einbau von Alkolocks aus.

Kein Anspruch auf Kapitalabfindung für Verkehrsopfer

Keine Mehrheit fand dagegen in Goslar der Wunsch einiger Juristen, insbesondere im Hinblick auf die Regulierung von schweren Personenschäden einen expliziten Anspruch auf Kapitalabfindung ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zu schreiben. 

Bei der Regulierung großer Personenschäden sieht das Gesetz derzeit in § 843 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich nur die Rentenzahlung vor. Bei dieser Gesetzeslage soll es nach dem Willen einer knappen Mehrheit der Verkehrsjuristen auch künftig bleiben, auch wenn die Rechtspraxis eine andere ist. Ein gesetzlicher Anspruch darauf sei nicht erforderlich, da die Experten von einer "funktionierenden Rechtspraxis" ausgehen, heißt es in der Empfehlung.

Tatsächlich dominiert in der Praxis auch ohne spezielle rechtliche Grundlage die Kapitalabfindung. Auch deshalb, weil sich so für alle Beteiligten ein schneller "Schlussstrich" unter das Unfallereignis ziehen lässt und der Geschädigte damit schon frühzeitig über einen nennenswerten Kapitalbeitrag verfügen kann. Für den Versicherer hat dies den Vorteil, dass er – anders als bei einer zu zahlenden Rente – keine Rückstellungen bilden muss.

Während die Versicherer, die sich unter Berufung auf mehr Flexibilität und eine funktionierende Praxis in diesem Punkt also den Empfehlungen des VGT wohl gerne beipflichten werden, mussten sie an anderer Stelle eine "Niederlage" in Kauf nehmen: Haftpflichtversicherer sollen nämlich künftig auf ihre Kosten dem Geschädigten die Berechnung des Abfindungsbetrages durch einen unabhängigen Sachverständigen ermöglichen. Außerdem mahnten die Experten Änderungen bei den Zinssätzen an, die von den Versicherern gerne bei der Kalkulation einer Kapitalabfindung zu Grunde gelegt werden. Hier hatten Anwälte kritisiert, dass Versicherer bisweilen unangemessen hohe Zinssätze zugrunde legten; ein Zinssatz in Höhe von fünf Prozent etwa, den sie gern vorschlagen, sei angesichts des gegenwärtigen Zinsniveaus völlig unangemessen. Dieser Kritik folgte der VGT: "Der Zinsfuß von fünf Prozent ist zu hoch", heißt es in der Empfehlung des Arbeitskreises.

EU-Kommission soll Stickstoffdioxid-Grenzwert überprüfen

Für Wirbel hatte im Vorfeld auch das Thema Dieselfahrverbote gesorgt. Die Verkehrsanwälte des Deutschen Anwaltverein (DAV) hatten sich in einer Erklärung im Vorfeld der Tagung – sehr zum Missfallen von DAV Präsident Ulrich Schellenberg – mit drastischen Worten gegen Dieselfahrverbote ausgesprochen. Diese seien "ökonomischer und ökologischer Wahnsinn".
In Goslar hingegen fielen die Beschlüsse zu diesem Thema um einiges weniger wortgewaltig aus: Zwar seien Fahrverbote fortlaufend auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, die Verkehrsrechtler sprachen sich aber vor allem auch für eine zeitnahe Hardware-Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen aus. An dieser müsse sich die Autoindustrie beteiligen.

Außerdem forderten die Juristen die EU-Kommission auf, zeitnah den geltenden Stickstoffdioxid-Grenzwert auf seine wissenschaftliche Fundiertheit und Belastbarkeit zu überprüfen.

Kein Gesetzgebungsbedarf beim Autonomen Fahren

Beim Thema autonomes Fahren halten die Juristen  die Sicherheit im Straßenverkehr für auch durch das geltende Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gewährleistet. "Es bedarf keines Sonderstrafrechts", lautet die Empfehlung. Im Hinblick auf eine künftige mögliche strafrechtliche Verantwortung des Fahrzeugherstellers, falls es beim autonomen Fahren zu einem Unfall kommt, sprachen sich die VGT-Teilnehmer auch gegen ein besonderes Unternehmensstrafrecht aus.

Weitere Empfehlungen des 57. Verkehrsgerichtstages betrafen die Flensburger Punktedatei, Ansprüche nach Verkehrsunfällen mit geleasten Fahrzeugen, LKW- und Busunfälle sowie den Brandschutz auf Seeschiffen.

Ob auch der 58. und weitere Verkehrsgerichtstage in den kommenden Jahren in Goslar stattfinden werden, bleibt weiter offen. Laut der Pressesprecherin des VGT wird in den nächsten Wochen vom Meinungsforschungsinstitut "Forsa" ein entsprechendes Meinungsbild der diesjährigen VGT-Teilnehmer ausgewertet. Einige von ihnen hatten sich in den vergangenen Jahren immer wieder über unzureichende Tagungsräume und fehlende Hotel-Kapazitäten in der alten Kaiserstadt beklagt.

Zitiervorschlag

Empfehlungen des 57. Verkehrsgerichtstags: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33483 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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