Europäische Freihandelsabkommen: Heute noch in den Medien, morgen schon vor Gericht

von Dr. Jörn Griebel

01.12.2014

Seit vielen Monaten hagelt es Kritik an den Abkommen TTIP und CETA. Zum Teil ist sie berechtigt. Doch kritische Medienberichte vermischen sie mit nachweislich fehlerhaften Darstellungen. Nun werden sich EuGH und BVerfG mit der Thematik befassen. Das wird die Diskussionen versachlichen und sich vermutlich als Segen für die Abkommen erweisen, meint Jörn Griebel.

Seit mehr als einem Jahr sind die geplanten Freihandelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit den USA und Kanada ein intensiv in den Medien diskutiertes Thema.

Dabei haben die NGOs die Schlacht um die öffentliche Meinung zu TTIP und CETA gewonnen, dies muss man anerkennen. Insbesondere haben sie es im Gegensatz zu den Freunden des Investitionsrechts auch verstanden, überregionale Printmedien in ihre Public Relations-Kampagnen einzubeziehen. So darf es auch nicht überraschen, dass die europäischen Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA bis heute allgemein mit Chlorhühnchen, Hormonfleisch und Geheimgerichten ausländischer Großkonzerne assoziiert werden. Angesichts solcher Schreckgespenster ist es vielleicht auch verständlich, dass die Bereitschaft sinkt, sachliche und zugleich verifizierbare Argumente für solche Abkommen zu hören.

Daneben ist die Zahl der nachweisbaren Falschaussagen in den Presseberichten bemerkenswert. Teilweise werden Falschdarstellungen zu TTIP und CETA gar mit Journalistenpreisen prämiert. Auch heute verbreiten die Medien systematisch fehlerhafte Informationen. Heribert Prantl erweckt in einem am 26.11. erschienenen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel "Brimborium" den Eindruck, die Abkommen könnten auf Grundlage der Geheimverhandlungen ohne öffentliche Debatte im Europäischen Parlament in Kraft treten. Dies ist natürlich unzutreffend, denn dieses wird auf Grundlage einer öffentlichen Sitzung über die Abkommen diskutieren und abstimmen.

Investitionsschutz nicht besonders investorenfreundlich

Insbesondere das Investitionsrecht mit seiner Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) wird heute weitgehend als Unrechtsregime wahrgenommen. Dabei ist der Investitionsschutz gar nicht so investorenfreundlich, wie immer behauptet wird.

Investoren gewinnen aktuell in nur etwa 40 Prozent der Schiedsverfahren. Und laut einer Studie aus dem Jahre 2009 lag die durchschnittliche Klagesumme in den Verfahren bei 343 Millionen US-Dollar, zugesprochen wurden im Schnitt aber nur 10 Millionen, also in etwa nur 3 Prozent des durchschnittlichen Klagebegehrens.

Interessant ist auch, dass die in den Medien als Argumente gegen den Investitionsschutz gebetsmühlenartig angeführten Klageverfahren allesamt noch nicht abgeschlossen sind. Kann es sein, dass die Kritiker des Investitionsschutzes auf Verfahren wie das des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall, das sich gegen den deutschen Atomausstieg wehrt, verweisen müssen, weil es abgeschlossene Negativbeispiele in vergleichbarer Art und Anzahl einfach nicht gibt?

Nun aber zeigt sich am Horizont ein Hoffnungsstreifen für eine Rückkehr zur Sachlichkeit in den Diskussionen um TTIP und CETA, denn die europäischen Handelsabkommen gehen nun vor den EuGH und das BVerfG. Die Verfahren könnten sich dabei als Segen für die angegriffenen Investitionsrechtsregeln erweisen.

Freihandelsabkommen vor dem EuGH

In Kürze ist mit der Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu rechnen. Die Kommission hat bereits Ende Oktober 2014 angekündigt, das erste fertig ausgehandelte Freihandelsabkommen mit Singapur, das inhaltlich und konzeptionell dem bereits veröffentlichten Abkommen mit Kanada und vermutlich auch dem unveröffentlichten mit den USA sehr ähnelt, überprüfen zu lassen.

Wie auch das EU-Parlament und der Rat sowie jeder Mitgliedstaat kann die Kommission gemäß Art. 218 Abs. 11 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den EuGH um ein solches  Gutachten zur Vereinbarkeit geplanter EU-Abkommen mit dem Unionsrecht ersuchen. Stellt dieser eine Verletzung der europäischen Verträge fest, darf ein überprüftes Abkommen nicht ohne entsprechende Änderungen in Kraft treten.

Das könnte das vollständige Scheitern der bereits ausgehandelten sowie aktuell noch verhandelten Abkommen und der europäischen Handels- und Investitionsschutzpolitik insgesamt bedeuten. Denn es wird sich insbesondere klären, inwieweit die ausgehandelten Regeln in den alleinigen Kompetenzbereich der EU fallen oder auch mitgliedstaatliche Kompetenzen betreffen. In letzterem Falle könnten die Abkommen nur als sogenannte "gemischte Abkommen" geschlossen werden, denen die Parlamente eines jeden EU-Mitgliedstaates zustimmen müssten. Und dies ist kein Selbstläufer.

Zitiervorschlag

Europäische Freihandelsabkommen: . In: Legal Tribune Online, 01.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13976 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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