2/2: "Ich dachte, Freunde wollten mich zum Narren halten"
LTO: Anfangs beruhten die Gerichtsshows im deutschen Fernsehen noch auf wahren Fällen, später nur noch auf fiktiven. Ist das wirkliche Leben zu langweilig?
Hold: Nein, das ist nicht der Grund für die fiktiven Fälle. Im Fernsehen kommen Sie nicht umhin, eine gewisse Dramaturgie einzuhalten. Ein realer Fall lässt sich oft schlicht nicht in einer Stunde erzählen und das auch nicht mit dem nötigen Spannungsbogen.
LTO: Haben Sie in Ihrer Zeit als Fernsehrichter auch selbst etwas gelernt?
Hold: Es ist unheimlich leicht, in einer Stunde eine grandiose Urteilsbegründung zu liefern. Sehr schwierig ist es dagegen, in drei Minuten eine Entscheidung in einer Sprache zu verfassen, die die betroffenen Menschen verstehen und die nicht nur für die nächste Instanz formuliert ist. Wenn man sich bemüht, ist das aber ohne weiteres möglich.
Am Anfang kam übrigens von der Produktionsfirma der Wunsch, meine Urteilsbegründung auf zwei Minuten zu begrenzen. Ich habe dann immer länger gebraucht, was aber nie beanstandet worden ist. Die Zuschauer haben es offenbar geschätzt, dass ich versucht habe, die gesellschaftlichen und juristischen Probleme eines Falls zu erläutern.
LTO: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen?
Hold: Ich saß an meinem Schreibtisch im Gericht in Kempten, als das Telefon klingelte und mich jemand fragte, ob ich nicht im Fernsehen als Richter auftreten möchte. Ich habe sofort aufgelegt, weil ich dachte, meine Freunde wollten mich zum Narren halten.
Später kam dann jemand von der Produktionsfirma als Zuschauer zu mir in eine Sitzung und sprach mich anschließend an. Da wurde mir erst klar, dass das ernst gemeint war. Auf mich aufmerksam gemacht hatte sie wohl ein Medienrechtsanwalt, der zuvor mal bei einer meiner Verhandlungen war.
LTO: Haben Sie sofort zugesagt?
Hold: Ich war gerne bei der Justiz. Zugesagt hätte ich niemals, wenn mir das Justizministerium nicht zugesagt hätte, dass ich jederzeit zurückkehren kann. Allerdings bin ich auch von Grund auf neugierig.
Am Anfang dachte ich, es würde eher um eine beratende Tätigkeit im Hintergrund gehen. Als ich dann mitkriegte, dass die mich tatsächlich als Richter vor der Kamera haben wollten, habe ich schon etwas Muffensausen bekommen.
"Nirgends wird so viel Theater gespielt, wie vor Gericht"
LTO: Mit "Richter Alexander Hold" endet nach über zehn Jahren die letzte Fernsehgerichtsshow. Ist es schade um das Format?
Hold: Das ist eine schwierige Frage. Persönlich hat mir die Sendung immer Freude gemacht, und deshalb hätte ich sie auch gerne fortgesetzt.
Allerdings muss man akzeptieren, dass sich die Fernsehlandschaft verändert hat. Gerade junge Leute sind mehr und mehr gewohnt, kurze Clips nebenbei zu schauen, bei denen man problemlos mittendrin einschalten kann. Das war bei unserer Sendung nicht möglich. Wenn Sie den Anfang verpasst hatten, hatten Sie keine Chance, später einzusteigen. Der Zuschauer musste sich von Beginn an auf das Geschehen einlassen. Junge Menschen sind dazu immer weniger bereit.
LTO: Was würden Sie von einer Fernseh-Live-Berichterstattung aus deutschen Gerichtssälen halten?
Hold: Ich denke, das wäre der Anfang vom Ende einer funktionierenden Justiz. Schon jetzt wird nirgends so viel Theater gespielt wie vor Gericht. Wenn im Sitzungssaal Kameras aufgebaut würden, könnte man sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Beteiligten tatsächlich an der Wahrheitsfindung interessiert sind, dass der Verteidiger sich um das Wohl seines Mandanten kümmert und dass Zeugen sich darauf konzentrieren, was sie tatsächlich wahrgenommen haben. Die meisten würden versuchen, sich vor den Kameras zu produzieren. Die Wahrheitsfindung wäre damit massiv beeinträchtigt.
LTO: Herr Hold, vielen Dank für das Gespräch.
Alexander Hold war Richter am Amtsgericht Kempten bevor er 2001 zum Fernsehen wechselte und die Rolle des Vorsitzenden Richters in der Gerichtsshow "Richter Alexander Hold" übernahm.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Richter Alexander Hold: . In: Legal Tribune Online, 12.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8134 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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