Opfer von Straftaten sollen leichter entschädigt werden. Der Entwurf der Reform ist insoweit gelungen. Doch die Pläne zur Erweiterung der Einziehung von Vermögen verlassen zum Teil die Grenzen des Verfassungsrechts, meint Jörg Habetha.
Opfern von Straftaten obliegt es selbst, ihre durch die Straftat verlorenen Vermögenswerte zivilrechtlich geltend zu machen. Zwar kann im Strafverfahren der Verfall des aus der Straftat Erlangten angeordnet werden. Allerdings schließt bisher allein das Bestehen von Ansprüchen des Verletzten auf Schadenersatz die Verfallsanordnungen aus. Der Staat kann nur die Vermögensgegenstände vorläufig sicherstellen, vollstrecken muss aber das Opfer mit einem zuvor erstrittenen Titel. Geschädigte verzichten daher nicht selten darauf, diesen komplizierten und unsicheren Weg zu beschreiten – auch, weil bei mehreren Opfern ein unwürdiges Rennen um eine Entschädigung entsteht.
Schon im Koalitionsvertrag war vorgesehen, dieses System zu ändern. Ziel der Reform war die Beseitigung von Abschöpfungslücken und -hemmnissen, vor allem bei "Vermögen unklarer Herkunft". Zugleich soll das bisherige Konzept zur Opferentschädigung durch "Rückgewinnungshilfe" als ein zentrales Abschöpfungshindernis beseitigt werden.
Herausgekommen ist nun eine ambitionierte, umfassende Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die materiell-rechtlich und prozessual grundlegend neu gefasst ist. Der Entwurf umfasst allein 37 Seiten an Gesetzesänderungen sowie 53 Seiten Begründung.
Die grundlegende Neugestaltung der Opferentschädigung ist dabei gelungen, die Erleichterung und Erweiterung der "Einziehung" ist verfehlt und gelangt verschiedentlich sogar an verfassungsrechtliche Grenzen. Jedenfalls die zuletzt vom Bundesrat empfohlenen, weitergehenden Verschärfungen verlassen den verfassungsrechtlichen Spielraum (BR-Drucks. 418/16, Beschluss).
Begriff "Verfall" wird gestrichen
Auch mit der Reform bleibt § 73 Strafgesetzbuch (StGB) die Kernvorschrift der Vermögensabschöpfung. Der Gesetzgeber gibt jedoch die bisherige Differenzierung zwischen Verfall und Einziehung zu Gunsten des einheitlichen Begriffs der "Einziehung" (confiscation) auf.
Der Entwurf unterscheidet zunächst wie bisher zwei vorläufige Sicherungsinstrumente: Gegenstände, die der Einziehung unterliegen, werden nach §§ 111b bis 111d StPO-E (Entwurf zur StPO) beschlagnahmt. Die Einziehung des Wertersatzes wird durch Vermögensarrest (bisher: dinglicher Arrest) gesichert, bei einem Anfangsverdacht "kann", liegen dagegen "dringende Gründe" für die Annahme einer rechtswidrigen Bereicherung vor, "soll" die Sicherung erfolgen (§§ 111b Abs. 1, 111e Abs. 1 StPO-E).
Die Vollziehung dieser Sicherungsmittel sowie die Rechtskraft der Einziehungsanordnung werden dem Verletzten mitgeteilt. Er hat seinen Anspruch binnen sechs Monaten nach Rechtskraft bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden, um eine Entschädigung zu erhalten.
Aufgegeben wird die bisherige abgestufte Regelung, wonach die Sicherung bei Vorliegen eines bloßen Anfangsverdachts grundsätzlich nur sechs, maximal zwölf Monate zulässig ist. Ebenso entbehrlich wird das Vorliegen eines Arrestgrundes.
Regierungsentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20687 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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