Gewerbsmäßiger Handel mit nicht geringen Mengen Cannabis: Fehlen den Strafverfolgungsbehörden nach der Teillegalisierung wichtige Ermittlungsinstrumente? Kommenden Donnerstag werden die Justizminister wohl einen Appell ans BMJ richten.
Die Justizministerinnen und -minister der Länder werden sich auf ihrer Herbstkonferenz (JuMiKo) am 28. November in Berlin erneut mit dem Thema Cannabis beschäftigen.
In einem von der Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) eingebrachten Beschlussvorschlag ("Bekämpfung des Schwarzmarkts und der Organisierten Kriminalität in Fällen cannabisbezogener Straftaten"), wird kritisiert, dass infolge des neuen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) den Strafverfolgern bei der Verfolgung cannabisbezogener Straftaten bestimmte Ermittlungsinstrumente der Strafprozessordnung (StPO) nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei Verdacht des Handeltreibens mit nicht geringen Mengen an Cannabis seien die Telefonüberwachung, die Onlinedurchsuchung oder die akustische Wohnraumüberwachung nicht mehr im gewohnten Umfang einsetzbar (§§ 100a ff. StPO).
Auf der JuMiKo kommenden Donnerstag soll daher beschlossen werden, "dass das Cannabisgesetz insbesondere bei Verfahren des gewerbsmäßigen Handels mit Cannabisprodukten oder des Handels mit Cannabisprodukten in nicht geringer Menge zu einem Rückschritt in der Bekämpfung des Schwarzmarkts und der Organisierten Kriminalität geführt hat".
"Bei bevorstehender Evaluierung Neuregelungen in den Blick nehmen"
Um den staatlichen Strafanspruch in Fällen cannabisbezogener Straftaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen, weiterhin möglichst effektiv durchzusetzen, soll der Bundesjustizminister – aktuell Volker Wissing – darum gebeten werden, im Rahmen der bevorstehenden Evaluierung des KCanG entsprechende Neuregelungen besonders in den Blick zu nehmen. Vorgesehen ist die Evaluierung der kontrollierten Weitergabe von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken an Erwachsene innerhalb von vier Jahren, inklusive Zwischenbericht nach zwei Jahren sowie einer ersten Evaluation 18 Monate nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG), also frühestens zum 1. Oktober 2025.
Hintergrund des Ansinnens Berlins, das von einer Reihe von Justizressorts geteilt werden dürfte, ist die seit 1. April 2024 geltenden Rechtslage: Cannabis unterliegt seither nicht mehr den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG). Darauf bezogene Straftraten unterfallen nicht mehr den Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG.
Moniert wird im JuMiKo-Beschlussvorschlag, dass der Gesetzgeber zwar im Zuge der Teillegalisierung den § 100a StPO (Telekommunikationsüberwachung) teilweise angepasst, dabei jedoch § 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) vollständig aus dem Blick verloren und jegliche Neufassung im Hinblick auf die Strafvorschriften des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) beziehungsweise des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) versäumt habe. Das führe dazu, dass seit April eine Erhebung von gespeicherten Standortdaten sowohl bei Telekommunikationsdienstleistern als auch bei Tele-Mediendienstleistern in Fällen ausschließlich cannabisbezogener Straftaten unzulässig sei.
Online-Durchsuchung nicht mehr möglich?
Weiter wird kritisiert, dass nach neuer Rechtslage die bisherige Möglichkeit weggefallen sei, "zur Aufklärung von besonders schweren cannabisbezogenen Betäubungsmittelstraftaten eine Online-Durchsuchung durchzuführen". Eine im Zuge des Cannabisgesetzes erfolgte Ergänzung von § 100b Absatz 2 StPO um cannabisbezogene Delikte sei unvollständig und habe nicht nur Auswirkungen auf die Durchführung von Online-Durchsuchungen, sondern auch auf die akustische Wohnraumüberwachung gemäß § 100c StPO. "Auch diese ist bei besonders schweren Cannabisstraftaten seit dem 1. April 2024 nur noch in eng begrenzten Fällen zulässig, weil auf § 100b Absatz 2 StPO Bezug genommen wird", beklagt der Antrag aus Berlin.
Verwiesen wird in der Beschlussvorlage für die JuMiKo auch auf den Freispruch des Landgerichts (LG) Mannheim, der kürzlich für Aufsehen gesorgt und über den auch LTO berichtet hatte. Das LG hatte den Angeklagten vom Vorwurf der illegalen Einfuhr von rund 450 Kilogramm Marihuana im Gesamtwert von rund 1,9 Millionen Euro freigesprochen. Das LG war dabei zu der Auffassung gelangt, die Erkenntnisse aus den Chatnachrichten der Software EncroChat nicht mehr verwerten zu können, weil eine Katalogtat des § 34 Abs. 4 KCanG nach § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO nicht vorgelegen habe, der eine Online-Durchsuchung im Wesentlichen nur noch bei bandenmäßigem oder bewaffnetem Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge vorsieht. Mit Spannung wird zu dieser Thematik eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet.
Neue Rechtsgrundlage entwertet alte Beweismittel
Dass einst noch verwertbare Beweismittel im Zusammenhang mit illegalem Cannabishandel nach neuer Rechtslage nicht mehr genutzt werden dürfen und Dealer davon profitieren könnten, geht Berlin und dem Vernehmen nach auch anderen Justizressorts gehörig gegen den Strich.
Laut JuMiKo-Vorlage besteht dadurch die Gefahr, "dass Strafverfahren, in denen auf der alten Rechtsgrundlage ermittelt und Anklage erhoben wurde, mit einem Freispruch enden, weil rechtmäßig gewonnene Ermittlungsergebnisse nicht mehr als Grundlage einer Verurteilung herangezogen werden dürfen, und Ermittlungsverfahren eingestellt werden müssen, weil erfolgversprechende strafprozessuale Maßnahmen den Strafverfolgungsbehörden nicht mehr zur Verfügung stehen".
Handele der Gesetzgeber nicht, so heißt es in dem Antrag weiter, "können die erklärten Ziele des Cannabisgesetzes, nämlich den Schwarzmarkt einzudämmen und die Organisierte Kriminalität effektiver zu bekämpfen, nicht erreicht werden".
Der Beschlussvorschlag zu Cannabis für die vom Land Niedersachsen am 28. November in Berlin ausgerichtete Justizministerkonferenz kann hier heruntergeladen werden.
Beschlussvorschlag für die Justizministerkonferenz: . In: Legal Tribune Online, 21.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55924 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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