Rekonstruktion der Netzpolitik-Affäre: Int­rigen, Kon­f­likte und Gefühle

von Dr. Christian Rath

22.09.2015

7/9: Hat Staatssekretärin Hubig dem Generalbundesanwalt mit Entlassung gedroht?

In einem dienstlichen Vermerk, über den die SZ berichtete, soll Range das am 31. Juli  (Freitag) erfolgte Telefonat mit Hubig so zusammengefasst haben: "Das BMJV drohte mir: Entweder das externe Gutachten wird zurückgezogen, oder ich bin meinen Job los." Diese Wahrnehmung wiederholte er Mitte August auch im Rechtsausschuss. Das Ministerium weist diese Darstellung zurück.

Dass Range eine vermeintliche Drohung schon auf Freitag terminiert, wirft einige Fragen auf:

- Warum hat Range nicht schon am Wochenende gegen den vermeintlichen "Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" protestiert, sondern erst am Dienstag (nach dem erneuten Telefonat mit der Staatssekretärin)?

- Warum hat Range am Dienstag nur eine vermeintliche "Weisung" erwähnt, nicht aber die "Drohung" mit der Entlassung?

- Warum hat Range angesichts der angeblichen Drohung das Gutachten gar nicht gestoppt, sondern erst nach der angeblichen Weisung?

- Warum hat die Bundesanwaltschaft am Sonntagabend noch eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der es abschließend eher affirmativ heißt: "Der weitere Gang des Verfahrens wird der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am vergangenen Freitag angekündigten Einschätzung zu den offenen Rechtsfragen vorbehalten bleiben."?

Unabhängig von den Anschuldigungen Ranges könnte man folgendes Szenario für möglich halten: Hubig und Range könnten sich am Freitag mehr oder weniger einvernehmlich darauf verständigt haben, dass das externe Gutachten mit Blick auf die angekündigte fachliche Einschätzung des BMJV "obsolet" ist. Darunter hätten dann aber beide Seiten jeweils etwas anderes verstanden. Das BMJV ging einerseits wohl davon aus, dass das externe Gutachten sofort gestoppt wird, während die Bundesanwaltschaft anderseits eventuell annahm, dass das externe Gutachten erst dann überflüssig wird, wenn eine fundierte fachliche Einschätzung des Ministeriums vorliegt.

Dazu passt jedenfalls, dass die Bundesanwaltschaft das externe Gutachten am Freitag nicht stoppte und es Indizien gibt, wonach der Gutachter vielmehr zur Beschleunigung seiner Arbeit aufgefordert wurde.

Das Missverständnis wäre in diesem Szenario erst am Montag deutlich geworden, als Range bei Hubig anrief, um ihr die vorläufige Bewertung des Gutachters mitzuteilen.

Zitiervorschlag

Christian Rath, Rekonstruktion der Netzpolitik-Affäre: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16968 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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