Rekonstruktion der Netzpolitik-Affäre: Int­rigen, Kon­f­likte und Gefühle

von Dr. Christian Rath

22.09.2015

2/9: Warum hat Generalbundesanwalt Range einen externen Gutachter eingeschaltet?

Zunächst landete der Fall bei ihm nur als Anfrage des LKA Berlin. Dort wollte man wissen, ob er den Fall übernehmen will. Die Bundesanwaltschaft (BAW) legte daraufhin einen Prüfvorgang an. Als dann aber das BfV-Gutachten zum Schluss kam, dass es bei den Veröffentlichungen von Netzpolitik um Staatsgeheimnisse ging, sahen Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft einen Anfangsverdacht gemäß §§ 93 ff StGB.

Vermutlich tendierte das Staatsschutz-Referat der BAW eher zu Ermittlungen, während FDP-Mitglied Range eher zögerlich war. Da die Staatsanwaltschaft eine hierarchische Behörde ist, hätte er das Referat zwar durchaus anweisen können, den Vorgang nach Berlin zurückzugeben. So hätte man verneinen können, dass überhaupt ein Staatsgeheimnis vorlag oder annehmen, dass die Veröffentlichung jedenfalls durch die Pressefreiheit gerechtfertigt war. Doch dann hätte Range sich nicht nur in Konflikt zu seinen Spezialisten, sondern auch zum Bundesamt für Verfassungsschutz begeben.

In dieser Konstellation mag die Einschaltung eines externen Gutachters attraktiv gewesen sein, damit alle Beteiligten vermeintlich das Gesicht wahren können. Aus sachlichen Gründen war dies zwar völlig unnötig, schließlich hat die Bundesanwaltschaft selbst genug Sachkunde für solche Fragen. Aber für den konfliktscheuen Range könnte es wie ein elegante Lösung ausgesehen haben.

Möglicherweise fand er es sogar schon mutig, nicht einfach die Wertung des Verfassungsschutzes zu übernehmen. Schließlich folgte, als sie 1982 in der Langemann-Affäre gegen die Zeitschrift Konkret ermittelte, die Bundesanwaltschaft  noch ganz selbstverständlich den Gutachten von BND und BfV, die eine Verletzung von Staatsgeheimnissen sahen.

Als Gutachter wurde der junge Rechtsprofessor Jan-Hendrik Dietrich von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung beauftragt. Er lehrt zwar am Fachbereich Nachrichtendienste, ist aber wissenschaftlich unabhängig.

Zitiervorschlag

Christian Rath, Rekonstruktion der Netzpolitik-Affäre: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16968 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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