2/2: Alle raus, einer raus, aus die Maus?
Ebenso wenig praktikabel wäre laut Weiß auch das gern zitierte Gedankenspiel eines Austritts sämtlicher anderer EU-Staaten mit anschließender Neugründung: "Einmal alle anderen Probleme ausgeblendet, würde die Abwicklung dieser Konstellationen jedenfalls mindestens zwei Jahre dauern, weil die Austritte erst danach wirksam werden würden".
Und noch einer weiteren, "findigen" Idee erteilt er eine Absage: "Deutschland könnte – woran niemand Interesse hat - versuchen, einseitig den Euro nach völkerrechtlichen Maßstäben zu kündigen. Begründbar wäre das aber kaum, weil sich die Umstände seit dessen Einführung nicht maßgeblich verändert haben. Dass Staaten die Stabilitätskriterien verletzen, reicht dafür natürlich nicht aus, das war von Anfang an einkalkuliert."
Die Rücknahme des Ratsbeschlusses über die Teilhabe Griechenlands am Euro wäre vielleicht möglich, weil die Hellenen damals falsche Angaben gemacht, also getäuscht haben. Realistisch ist aber auch dieses Szenario nicht: "Geschriebene Regeln für eine solche Rücknahme existieren nicht. Und selbst wenn man allgemeine Rechtsregeln heranziehen könnte, dürfte eine Anfechtung sieben Jahre nach Bekanntwerden der Täuschung wohl verwirkt sein".
Wirtschaftliche Sanktionen wirkungsvoller als juristische
Überzeugender als jedes Tüftelspiel für findige Juristen, um die Teilhabe der Hellenen am Euroraum zu beenden, dürften am Ende wirtschaftliche Maßnahmen sein. "Für die griechischen Banken und auch für den griechischen Staat entstünde ein echtes Problem in der Euroversorgung, wenn die EZB griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten entgegennähme und die Troika die weiteren Hilfszahlungen wegen Verlassen des griechischen Reformkurses aussetzen würde", erklärt Weiß. Das dürfte die Bereitschaft zu lösungsorientierten Verhandlungen seitens der griechischen Regierung durchaus erhöhen – auch, wenn diese vom Linkspopulisten Tsipras geführt werden sollte.
Allerdings könnte Griechenland seinerseits mit einer Staateninsolvenz drohen. Wenn es einseitig die Bedienung seiner Schulden aufkündigen würde, sieht Weiß erhebliche ökonomische und damit auch politische Probleme bei den Partnern und ihren Banken. Für Deutschland ginge es um gut 65 Milliarden Euro. Das wechselseitige Drohpotential ist also erheblich.
Für Weiß helfen bei der Lösung der Krise findige Juristen nicht. Eine Rückkehr zur Drachme hält er nur unter Einvernehmen aller Beteiligten, also insbesondere der Griechen selbst, für praktikabel. "Wenn sich alle einig sind, können die für das Ausscheiden aus dem Euro nötigen Rechtsgrundlagen gemeinsam geschaffen werden. Nur gemeinsam mit der neuen griechischen Regierung können Deutschland und Europa eine Lösung suchen und hoffentlich finden".
Der Autor Univ. Prof. Dr. Wolfgang Weiß lehrt Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der einzigen Postgraduierten-Universität in Deutschland.
Pia Lorenz, Vor der Neuwahl in Griechenland: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14296 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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