Mit dem wahrscheinlichen Wahlsieg der linkspopulistischen Syriza wird die Debatte zum Rauswurf der Griechen aus dem Euroraum salonfähig. Um die Details würden sich notfalls "findige Juristen" kümmern, wird die Bundesregierung zitiert. Aber auch die findigsten Gedankenspiele ändern nichts daran, dass ein einseitiger Rauswurf Griechenlands juristisch nicht machbar ist, meint Wolfgang Weiß.
Alexis Tsipras tritt in Griechenland mit stolzen Versprechen zur Wahl an: Kreditverträge mit dem Internationalen Währungsfonds und der EU will er "zerreißen", der griechische Beamtenapparat soll wieder aufblühen, speziell von Deutschland hätte man außerdem gerne noch Entschädigungszahlungen für den zweiten Weltkrieg. Nach Umfragen erscheint es durchaus möglich, dass der Linkspopulist mit seinem Programm einer radikalen Abkehr von den Sparmaßnahmen, unter denen das griechische Volk während der letzten Jahre zu leiden hatte, eine Mehrheit finden wird.
Für diesen Fall werden unter anderem in Deutschland schon Pläne geschmiedet. Ein Ausscheiden Griechelands aus der EU oder jedenfalls dem Euro wird offen diskutiert, notfalls würden sich "findige Juristen" um die Details kümmern, heißt es laut Spiegel Online bei der Bundesregierung. Tatsächlich scheint die politische Situation der Griechen eine Rückkehr zur Drachme nahe zu legen: Wer seine Schulden nicht bedient, fliegt raus.
Was noch im Jahr 2011 nur die Mittlerweile-Splitterpartei mit dem neuen Logo FDP forderte, ist nun salonfähig geworden. Nachdem Spanien, Irland und Portugal sich - mehr oder weniger - erholt haben, könnte der "Grexit" die Krise im Euroraum endgültig beenden. Die Griechen sollen, wenn schon nicht aus der Europäischen Union (EU), dann doch wenigstens aus dem Euroraum ausscheiden.
Nur Austritt, kein Rauswurf
Dabei hat sich seit dem Jahr 2011 juristisch nichts verändert. "Eine rechtliche Handhabe zum einseitigen Hinausdrängen Griechenlands aus dem Euro gibt es nicht", erklärt Prof. Dr. Wolfgang Weiß von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Dabei mangelt es ihm nicht an Ideen.
"Das EU-Recht kennt weder einen Ausschluss aus der Union noch einen nur aus dem Euroraum. Es sieht nur einen freiwilligen Austritt aus der EU vor, der nicht weiter begründet werden muss", erklärt Weiß. Auch wenn alle anderen Mitglieder das dringend wünschten und ein Staat sich noch so unbotmäßig verhalte: "Gegen seinen Widerstand ist sein Ausscheiden aus der EU nicht zu bewerkstelligen".
Verletzt ein Staat die europäischen Regeln, kann er vor dem Gerichtshof verklagt werden, was Zwangsgelder zur Folge haben kann. Verletzt er die Stabilitätskriterien, kann ein Bußgeld fällig werden. "Aber selbst, wenn ein Staat gemeinsame europäische Werte gefährdet, kann man ihn nicht aus der Union ausschließen, sondern ihm nur einzelne Mitgliedschaftsrechte entziehen ", sagt Weiß.
Kein Rückgriff aufs Völkerrecht
Es kann also, so weit besteht wohl Einigkeit, nicht um einen Rauswurf der Griechen aus der Union gehen, sondern allenfalls um einen Abschied vom Euro. Nur in Bezug auf die Währung könnte, so eine viel diskutierte Idee, das spezifischere EU-Recht im Verhältnis zu den Hellenen keine Anwendung mehr finden, wenn man die EU-Verträge unter Rückgriff auf allgemeinere Regeln des Völkerrechts aufkündigen würde.
Immerhin würde Griechenland den Euro gefährden und die Rettungsmaßnahmen unterlaufen, wenn der wahrscheinliche Wahlsieger Alexis Tsipras wie angekündigt die Sparmaßnahmen seines Landes einstellen und die getroffenen Vereinbarungen "zerreißen" würde. "Griechenland hat schon bisher das wesentliche Vertragsziel der finanzwirtschaftlichen Stabilität fortgesetzt erheblich missachtet – und würde das nun weiter tun. Das wäre nach allgemeinem Völkerrecht ein guter Grund, das Vertragsverhältnis mit den Griechen zu beenden", findet auch Weiß. Einen Ausschluss aus dem Euro hält er dennoch für ausgeschlossen.
Es stehe einfach nicht fest, dass die Mechanismen im Stabilitätspakt dauerhaft unzureichend seien. "Bislang wurden nicht einmal die im EU-Recht vorhandenen Mechanismen ausgeschöpft, um den Delinquenten wieder in eine stabile Finanzwirtschaft zurückzuführen", erläutert der Öffentlich-Rechtler. Zwar seien gegen Griechenland Maßnahmen ergriffen worden, als den Hellenen eine Frist für den Abbau des Defizits gesetzt wurde. "Die Staaten haben dabei aber bis heute eher zögerlich agiert und sind noch immer nicht bei der letzten Stufe, nämlich der Verhängung konkreter Sanktionen nach Artikel 126 Abs. 11 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, angekommen".
Dabei hätte es durchaus einige Anlässe für schärfere Reaktionen – etwa die Verhängung von Bußgeldern – gegeben, findet Weiß: "Seit 2004 ist bekannt, dass das Land sich den Euro durch falsche Angaben erschlichen hat und die Defizite deutlich über den Regierungsangaben lagen." Hinsichtlich eines Rückgriffs auf allgemeine Prinzipien des Völkerrechts winkt er dennoch ab: Selbst wenn dieser möglich wäre, brächte er keine schnelle Lösung, denn eine Beendigung der Verträge mit Griechenland würde erst nach frühestens zwölf Monaten wirksam.
Pia Lorenz, Vor der Neuwahl in Griechenland: . In: Legal Tribune Online, 07.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14296 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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