Was wird aus der Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren? Werden Sammelanderkonten künftig unzulässig? Wird beA-Kommunikation mit den Finanzämtern verboten und was wird aus Thema Resilienz? Swen Walentowski vom DAV mit Einschätzungen.
Ob nun überraschend oder nicht, das Ampel-Aus hat Folgen auch für wichtige rechtspolitische Vorhaben. Grund hierfür ist die sogenannte materielle Diskontinuität. Vorhaben, die in einer Legislaturperiode angestoßen wurden, aber nicht beendet worden sind, fahren zurück auf null. Man müsste also den Gesetzgebungsmotor in der neuen Legislatur wieder anwerfen und die Strecke neu befahren.
Auf der anderen Seite muss der Bundestag aber auch unter einer Minderheitsregierung seine Arbeit nicht einstellen. Es ist noch einiges zu tun. Doch kommt es auch zu den notwendigen Beschlüssen?
1. Doch keine höheren Rechtsanwaltsgebühren ab 2025?
Eigentlich ist alles ausgehandelt und sollte zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Höhere Rechtsanwaltsgebühren sollen kommen. Das Kostenrechtsänderungsgesetz 2025, wenn es denn vom Kabinett beschlossen worden wäre, ist etwas, was Juristen einen “Vertag zu Lasten Dritter” nennen. Die finanziellen Folgen bei Pflichtverteidigung oder Prozesskostenhilfe müssen die Bundesländer tragen. Deshalb ist nicht nur eine Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren vorgesehen, sondern auch eine Erhöhung der Gerichtskosten. Mit den Ländern wurden die wesentlichen Inhalte verhandelt, nicht nur vonseiten des Bundes, sondern auch vonseiten der Berufsorganisation der Anwaltschaft. Das Ergebnis: ein auch für die Länder tragfähiges Konzept.
Doch jetzt kommen die sogenannten sachfremden Erwägungen ins Spiel. Der Entwurf ist fertig, hat aber den Bundestag nicht erreicht, weil er in der Ressortabstimmung stecken geblieben ist. Der bisherige Bundesjustizminister Marco Buschmann hat geliefert, doch der größere Koalitionspartner hat dafür gesorgt, dass er noch nicht auf dem Kabinettstisch lag. Die Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zum 1. Januar 2025 ist daher unrealistisch, auch wenn die SPD-Fraktion und das Bundeskanzleramt der Anwaltschaft in einem Schreiben versicherten, dass dieses Anliegen wichtig sei.
2. Sammelanderkonten bald unzulässig?
Sammelanderkonten sind für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Praxis von großer Bedeutung. Auf ein und demselben Konto können die Geldeingänge mehrerer Mandanten gleichzeitig geführt werden. Das Problem: Die Konten stehen für die Behörden unter pauschalem Geldwäscheverdacht, weswegen 2022 mehr als ein Fünftel der Banken Anwälten die Konten kündigten. Dann kam die kurzfristige Rettung durch einen Nichtbeanstandungserlass des Bundesfinanzministeriums. Doch der läuft zum Ende des Jahres aus. Banken müssten also die Kündigung dieser Konten vorbereiten. Gefährdet sind die Sammelanderkonten also kurzfristig – und mittelfristig auch die Geschäftskonten, sofern darüber Fremdgelder laufen. Hier käme einiges auf die Anwaltschaft an Berichtspflichten zu.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat im September gemeinsam mit dem Bundesverband der Banken und der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ein Gespräch mit den drei maßgeblichen Rechtspolitiker:innen der bisherigen Ampel geführt: Alle sind sich einig, die Sammelanderkonten zu erhalten. Der DAV drängt auf eine Änderung im Berufsrecht, damit die Kontrolle darüber im Rahmen der Selbstverwaltung organisiert werden kann.
Kürzlich hatten sich die drei zuständigen Rechtspolitiker:innen der Ampel-Fraktionen darauf verständigt, eine Lösung kurzfristig herbeizuführen. Ins Boot gehört neben dem Bundesjustizministerium auch das Bundesfinanzministerium. Dies offenbart – es waren FDP-geführte Ministerien – nach den Wendungen des gestrigen Tages das ganze Problem. Ob die Sachpolitiker:innen weiterhin konstruktive Gespräche führen können und wollen – wir werden es sehen.
Die Befürchtung ist groß, dass die Anwaltschaft im nächsten Jahr mit leeren Händen dasteht, die Konten werden gekündigt, und dann ergibt sich auch nur noch wenig Spielraum für die Politik.
3. Keine bea-Kommunikation mit den Finanzämtern?
Die Aufregung war verständlicher Weise groß: Der Finanzausschuss hat entschieden, die Kommunikation der Anwaltschaft mit den Finanzämtern via dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) zu verbieten. Auch in Sachen Digitalisierung der Justiz eine sehr fragwürdige Entscheidung. Schnell zeigte sich dann aber, dass die maßgeblichen Mitglieder des Finanzausschusses nicht hinreichend das Gespräch mit den eigenen Rechtspolitiker:innen gesucht hatten. Diese halten das beA-Verbot nämlich für ebenso unsinnig wie unnötig. Dennoch: Das für die Anwaltschaft unheilvolle Gesetz liegt nunmehr dem Bundesrat vor, wie es der Finanzausschuss vorgeschlagen hatte.
Wie man aus Regierungskreisen zuletzt hörte, wurde der Fehler nun aber doch erkannt. Ergebnis: Das Gesetz sollte in diesem Herbst wieder korrigiert werden.
Ob es allerdings jetzt noch zu einer Verständigung kommen wird, ist fraglich.
4. Resilienz des Rechtsstaats
Last, but not least: Die Resilienz der rechtsstaatlichen Institutionen ist für die gesamte Justizfamilie ein wichtiges Anliegen. Entwicklungen in Nachbarstaaten wie Polen haben in jüngerer Vergangenheit vor Augen geführt, wie schnell es einer autoritären Regierung gelingen kann, die rechtsstaatliche Struktur abzuwickeln. Dass Ähnliches auch in der Bundesrepublik möglich wäre, ist Verfassungsrechtler:innen völlig bewusst.
Bereits seit längerer Zeit hatten sich daher die Stimmen vermehrt, die eine bessere grundgesetzliche Absicherung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) fordern. Mittlerweile liegen zwei Gesetzentwürfe vor, die die Resilienz des BVerfG über eine Änderung des Grundgesetzes sowie des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) absichern sollen. Dementsprechend war die Sache zuletzt auf einem guten Weg: Die Erste Lesung zu den Gesetzentwürfen fand am 10. Oktober statt, am 13. November steht die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages an. Zuletzt kam aus dem Paul-Löbe-Haus das Signal, dass die Anhörung stattfinden soll und der Gesetzgebungsprozess fortgesetzt wird. Es bleibt zu hoffen, dass der breite Konsens im Bundestag dazu führt, die Resilienz des BVerfG noch zu beschließen. Hierzu werden auch zahlreiche juristische Berufsorganisationen, auch der DAV, in einem gemeinsamen öffentlichen Appell drängen
Ausblick
Inwieweit die Abgeordneten noch auch in der rechtspolitischen Arbeit noch Erfolge erzielen können, steht in den Sternen. Plenumssitzungen wurden bereits abgesagt. Rechtspolitik ist aber Sachpolitik und eignet sich nicht für harte parteipolitische Auseinandersetzungen. Doch die Befürchtung ist groß, dass außer der Resilienz vielleicht nichts mehr verabschiedet wird. Verantwortung muss nun auch die Unions-Fraktion im Bundestag übernehmen.
Swen Walentowski ist Rechtsanwalt, stv. Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins (DAV) sowie dort Leiter für Politische Kommunikation und Medien.
Was wird aus den rechtspolitischen Vorhaben?: . In: Legal Tribune Online, 08.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55821 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag