Manche Fluggäste gegen Geldzahlung schneller durch die Sicherheitskontrolle zu schleusen, ist laut einem LTO-Gastbeitrag eine strafbare Ungleichbehandlung. Wo und wie können Benachteiligte auf gleich schnelle Wartezeiten klagen?
Während "normale" Fluggäste gern mal eine halbe Stunde vor der Sicherheitskontrolle anstehen müssen, dürfen sich Premium-Passagiere an den normalen Schlangen per Fast Lane vorbeimogeln – weil sie dafür bei der Flugbuchung bezahlt haben. Dafür leitet die Airline einen Teil des Flugpreises an den Flughafenbetreiber weiter, der die Warteschlangen organisiert. Dieses System sei strafbare Korruption, argumentierten kürzlich Till Zimmermann und Julian Stolz in einem Gastbeitrag für LTO. Das ändert aber nur dann etwas an der Praxis, wenn sich die zuständigen Staatsanwaltschaften dieser Auffassung anschließen und beginnen, die Verantwortlichen anzuklagen.
Passiert das nicht, müssten benachteiligte Passagiere die Initiative ergreifen und gegen die Fast Lanes klagen. Verspricht das Aussicht auf Erfolg? Welcher Rechtsweg kommt dafür in Betracht? Und geht das auch im Eilverfahren?
Das hängt zunächst ganz maßgeblich davon ab, wer für die Organisation der Schlangen vor der Sicherheitskontrolle zuständig ist. Stolz und Zimmermann sehen die Verantwortung bei den zuständigen Luftsicherheitsbehörden. Dann wäre das Warteschlangenmanagement Verwaltungsaufgabe, für eine Klage benachteiligter Fluggäste wäre das Verwaltungsgericht zuständig. Sieht man die Verantwortung für die Organisation der Schlange aber beim Flughafenbetreiber – meist einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft –, geht die Klage vor das Zivilgericht. Die Unterscheidung wirkt sich nicht nur auf die Zuständigkeit aus, sondern beeinflusst auch die Erfolgsaussichten der Klage.
Gleichbehandlungsgebot als Anspruchsgrundlage
Geht man mit Zimmermann und Stolz davon aus, dass die zuständige Luftsicherheitsbehörde auch die Letztverantwortung für die Organisation der Schlangen vor der Sicherheitskontrolle trägt, kann sich die Klage auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) stützen. Ihm ist die Verwaltung nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar verpflichtet.
Es kann unter Art. 3 Abs. 1 GG kaum sachlich gerechtfertigt sein, den unterschiedlich schnellen Zugang zur hoheitlich verantworteten Sicherheitskontrolle davon abhängig zu machen, ob der jeweilige Fluggast (wenn auch mittelbar) ein zusätzliches Entgelt an den Flughafenbetreiber errichtet hat. Denn vom Träger der Luftsicherheitsbehörde erhält ein solcher Fluggast im Vergleich zu anderen Passagieren, die auf die normalen Schlangen verwiesen sind, keine Mehrleistung. Vielmehr erhält er ein und dieselbe Verwaltungsleistung lediglich schneller, ohne dass dies mit einem Mehraufwand für die Behörde verbunden ist, und zwar nur, weil er dem Flughafenbetreiber (mittelbar über die Fluglinie) etwas zahlt. Letztlich ist der Betreiber nach dieser Sichtweise nichts anderes als ein Wegelagerer zwischen Bürger und Behörde. Eine solche Klage dürfte also begründet sein.
Richtet sich die Klage darauf, gleich schnellen Zugang zu den Sicherheitskontrollen zu erhalten, handelt es sich um eine Leistungsklage. Es wird keine Regelung durch Verwaltungsakt, sondern ein Realhandeln der Verwaltung begehrt. Aus diesem Grund kommt auch keine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) für eine zurückliegende Ungleichbehandlung bei den Schlangen in Betracht. Die Klage müsste dann allerdings auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet werden, also eine in möglichst weiter Zukunft liegende Flugreise. Denn das mit der Leistungsklage verfolgte Anliegen wird sich regelmäßig erledigen, bevor das Gericht ein Urteil in der Hauptsache fällt.
Alternativ könnte man versuchen, eine in der Vergangenheit liegende Ungleichbehandlung durch allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) klären zu lassen. Die Anforderungen an das hierfür erforderliche (allgemeine) Feststellungsinteresse sind geringer; es könnte hier etwa mit einer Wiederholungsgefahr begründet werden, weil man als häufig fliegender Passagier immer wieder mit dieser Praxis konfrontiert ist. Soweit es einem aber vor allem darauf ankommt, einen unterschiedslosen Zugang zur Sicherheitskontrolle für die Zukunft zu erreichen, ist die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage subsidiär (§ 43 Abs. 2 VwGO), so dass insofern Zulässigkeitsrisiken verbleiben.
Eine Leistungsklage wäre gegen den Träger der jeweiligen Luftsicherheitsbehörde zu richten, denn bei Bundesauftragsverwaltung nach § 16 Abs. 1 LuftSiG ist das jeweilige Land passivlegitimiert.
Ist das Schlangenmanagement wirklich Staatsaufgabe?
Dass die Gerichte die Auffassung teilen, dass die Organisation der Warteschlange in den Aufgabenbereich der Luftsicherheitsbehörde fällt, ist jedoch keineswegs sicher. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es dazu nicht – und die Sichtweise ergibt sich auch nicht zwingend aus den maßgeblichen Rechtsvorschriften.
Die Durchführung der eigentlichen Sicherheitskontrolle am Flughafen ist an derzeit dreizehn größeren deutschen Verkehrsflughäfen Aufgabe der Bundespolizei (§§ 5 Abs. 1, 16 Abs. 3a Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) i. V. m. § 4 Satz 1 Bundespolizeigesetz (BPolG)). An den übrigen, meist kleineren deutschen Flughäfen führen diese Aufgaben die Länder im Auftrag des Bundes aus (§ 16 Abs. 2 LuftSiG). In der Regel bedienen sich die Luftsicherheitsbehörden bei der Sicherheitskontrolle privater Sicherheitsunternehmen, die als sogenannte Beliehene hoheitlich tätig werden (§ 16a Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG).
Die Fast Lane ist der eigentlichen Sicherheitskontrolle jedoch genauso wie die anderen gewöhnlichen Warteschlangen vorgelagert. Wer für deren Organisation zuständig ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich, am nächsten kommt man der Antwort durch einen Blick in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG. Demnach trifft den Flughafenbetreiber die Pflicht, Flughafenanlagen, Bauwerke, Räume und Einrichtungen so zu erstellen, zu gestalten und zu unterhalten, dass die Zuführung von Passagieren und Gepäck und die sachgerechte Durchführung der personellen Sicherungs- und Schutzmaßnahmen ermöglicht werden. Der Betreiber muss auch die dafür erforderlichen Flächen bereitstellen und unterhalten.
Aus dieser Vorschrift kann man folgern, dass die Organisation der Schlangen ("Lining") allein in den Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers fällt. Dagegen spricht aus Sicht von Zimmermann und Stolz, dass die Rechtsprechung Verzögerungen, die aufgrund langer Wartezeiten in den Schlangen entstehen, haftungsrechtlich nicht dem Flughafenbetreiber, sondern dem Behördenträger zurechnet (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urt. v. 27.01.2022, Az. 1 U 220/20). Von einigem Gewicht ist zwar der Einwand, dass der von Art. 3 Abs. 1 GG garantierte gleichmäßige Zugang zu Verwaltungsleistungen weitgehend leerliefe, wenn Private diskriminierende Hürden im Vorfeld – bevor die Grundrechtsbindung der Behörde greift – aufstellen dürften. Aber daraus folgt nicht notwendig, dass die Organisation der Schlangen auch Aufgabe der Behörde ist.
Das wohl überwiegende Verständnis von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG geht von einer Aufgabenteilung aus: Die Bereitstellung und der Unterhalt von Flächen und Räumen für die Sicherheitskontrollen gehören zum Pflichtenkreis des Flughafenbetreibers. Die Durchführung der Sicherheitskontrollen dagegen fällt in den Verantwortungsbereich der Luftsicherheitsbehörde; setzen sie dafür Beliehene ein, sind diese zuständig. Vor diesem Hintergrund vertritt der Bundesgerichtshof (BGH) die Auffassung, zum Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers gehöre auch, "durch entsprechenden Einsatz von Personal und/oder die Einrichtung eines Personenleitsystems (z. B. durch das Aufstellen von Hinweisschildern oder Absperrungen) die Warteschlangen vor dem Sicherheitsbereich so zu organisieren, dass die nachfolgenden Sicherheitskontrollen möglichst reibungslos ablaufen können" (Urt. v. 08.12.2022, Az. III ZR 204/21).
Die meisten Flughäfen sind unmittelbar an Grundrechte gebunden
Sieht man deshalb die Verantwortung für die Fast Lanes bei den privatrechtlich organisierten Flughafenbetreibern, sind für eine Klage auf gleichen Zugang die Zivilgerichte zuständig.
Fraglich ist dann aber die Anspruchsgrundlage. Es gibt ja gerade keinen Vertrag, der dem Budget-Passagier das Recht einräumt, genauso schnell durch die Sicherheitskontrolle geschleust zu werden wie Premium-Fluggäste. Im Gegenteil: Es sind ja erst die privatrechtlichen Verträge, die das Zweiklassensystem ins Leben setzen. Doch könnten sich die benachteiligten Passagiere auch vor dem Zivilgericht auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Eine Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz scheidet im Privatrecht nicht pauschal aus.
Dabei wird man häufig noch nicht einmal die Figur der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bemühen müssen: Soweit der jeweilige Flughafen eine öffentliche Einrichtung ist, gilt Art. 3 Abs. 1 GG unmittelbar. Das ist auch dann der Fall, wenn er lediglich formal privatisiert ist, also als GmbH oder Aktiengesellschaft betrieben wird, sich jedoch in öffentlicher Hand befindet. Aber auch bei einer gemischten, aber mehrheitlichen Eigentümerschaft von grundrechtlich verpflichteten Hoheitsträgern greift Art. 3 Abs. 1 GG unmittelbar. Denn auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden, unterliegen gleichermaßen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung, wie das Bundesverfassungsgericht im Fall der Fraport AG entschieden hat. Das dürfte auf die größeren Verkehrsflughäfen mehrheitlich zutreffen. Auch gegen deren Betreibergesellschaften hätte eine Leistungsklage somit gute Erfolgsaussichten.
Zu erheben wäre diese vor den Zivilgerichten. Auch wenn es sich bei dem konkreten Flughafen (trotz formeller Privatisierung) um eine öffentliche Einrichtung handeln sollte, ist der Verwaltungsrechtsweg nach der herrschenden Zwei-Stufen-Theorie nur zwingend, wenn es um das "Ob" der Nutzung geht, also der Zugang zur Einrichtung begehrt wird. Hierdurch soll dem jeweiligen Hoheitsträger eine "Flucht ins Privatrecht" verwehrt werden. Da es bei den Fast Lanes aber um das "Wie" der Nutzung geht, also die Nutzungsmodalitäten, kommt es darauf an, ob diese zivil- oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind: Ist die Benutzung der jeweiligen Fast Lane zivilrechtlich geregelt, müsste ein Begehren gegen den Flughafenbetreiber auf unterschiedslosen Zugang zur Sicherheitskontrolle in jedem Fall vor einem Zivilgericht geltend gemacht werden. Wegen des geringen Streitwerts – wie viel sind zehn Minuten Wartezeit wert? – dürfte stets das Amtsgericht zuständig sein.
Gibt es Eilrechtsschutz?
Den richtigen Rechtsweg zu wählen, ist für das Prozesskostenrisiko nicht unerheblich: Zwar verweist das angerufene Gericht den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz, wenn es sich für rechtswegunzuständig hält. Das scheidet hier aber aus: Käme etwa das Verwaltungsgericht zu der Auffassung, dass gar nicht der beklagte Hoheitsträger, sondern die Flughafenbetreibergesellschaft verantwortlich ist, wäre es mit einer Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht getan, weil sich die Klage dann immer noch gegen den falschen Beklagten richten würde.
Unabhängig vom Rechtsweg ist zweifelhaft, ob der unterschiedslose Zugang zu den Sicherheitskontrollen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchgesetzt werden könnte. Denn für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vor dem Verwaltungsgericht) oder einer einstweiligen Verfügung (vor dem Zivilgericht) bedarf es eines Anordnungsgrundes, also einer Eilbedürftigkeit. Die Maßstäbe hierfür werden von den Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Sie könnte bei einer zeitlich nicht allzu weit entfernten Flugreise damit begründet werden, dass die Hauptsacheentscheidung zu spät käme, weil bis dahin eine Erledigung der Sache droht. Vor allem ein Verwaltungsgericht könnte aber darauf abstellen, dass es auch einem Vielflieger zumutbar ist, die Klärung dieser Frage im Hauptsacheverfahren abzuwarten, weil die Diskriminierung beim Security Check zwar lästig, nicht aber unerträglich ist. Denn erfahrungsgemäß werden die Anforderungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO – zugunsten der Behörden – etwas strenger gehandhabt als bei dem Verfügungsgrund im Sinne des § 935 ZPO.
Die Rechtslage ist somit durchaus komplex und hängt insbesondere von der Organisation des konkreten Flughafens ab. Auch wenn es etwas unkonventionell klingt: Prozesstaktisch spricht viel dafür, sich bei einem überwiegend hoheitlich gehaltenen, aber privatrechtlich organisierten Flughafen erst einmal an das Amtsgericht zu wenden, dort aber auf die Grundrechtsbindung der Betreibergesellschaft zu pochen. Im Zweifel müsste man jedoch breit schießen und verschiedene Rechtsbehelfe gegen verschiedene Rechtsträger vor verschiedenen Gerichtsbarkeiten ausprobieren – mit entsprechendem Kostenrisiko. Ob bald ein Fluggast diese Anstrengung unternimmt?
Fast Lanes am Flughafen: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54358 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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