Bei den alten Römern mussten Frauen nahe Verwandte mit einem "Bützchen" auf die Wange begrüßen. So kontrollierte man, ob die Dame Alkohol getrunken hatte. Nach der vielleicht nicht unzutreffenden Erfahrung der römischen Juristen sind Frauen, die Alkohol trinken, eher ehebruchsgefährdet. Was sexuell im Karneval erlaubt war und ist, überlegt Herbert Grziwotz.
Karneval kommt von "carne vale" und bedeutet "Fleisch lebe Wohl". Meist wird dies so gedeutet, dass sich das Fleisch eines Menschen nochmal so richtig ausleben können soll, bevor die 40-tägige Fastenzeit beginnt, die von Aschermittwoch bis Ostern dauert.
An Fastentagen waren früher nach dem Kirchenrecht fleischliche Genüsse verboten. Dies betraf nicht nur das Essen von Fleisch, sondern auch sexuelle Kontakte. Die "Nacht vor dem Fasten" (Fastnacht) bot deshalb noch einmal Gelegenheit, sich gleichsam auf Vorrat und außerdem geschützt von Masken zu betätigen.
Das berühmte Bild "Kampf des Karnevals gegen die Fasten" von Peter Breughel stellt dies deutlich dar. Prinz Karneval kämpft dort gegen Frau Fasten im Stile eines Ritterspiels, wobei Frau Fasten auf einem Kirchenstuhl sitzt, ein Büßergewand trägt und als Waffe zwei Heringe hat. Eine Deutung geht davon aus, dass der Teufelsstaat mit dem Gottesstaat im augusteischen Sinn kämpft. Gegen die öffentliche Unzucht im Karneval wandten sich bereits zahlreiche Ratserlässe spätmittelalterlicher Städte.
Fasching ohne Ehering
Bekanntlich hat Martin Luther den Fasching strikt abgelehnt. Großzügiger soll jedenfalls früher die katholische Kirche gewesen sein: So gibt es das unbestätigte Gerücht, dass ein Kölner Erzbischof auf Druck der Bürger eine Generalabsolution erteilt haben soll. Und zwar im Vorhinein für alle kleinen fleischlichen Sünden, die sie während der wilden Tage begehen würden. Kennt man die Ernsthaftigkeit, mit der die Kölner ihren Karneval zelebrieren, ist die Legende zumindest gut erfunden.
Nur die Jesuiten waren strikte Gegner des Karnevals und boten als Alternativveranstaltung zum närrischen Treiben ein 40-stündiges Gebet an. Ob die Andacht jedoch die gleiche Resonanz fand wie der bekämpfte Karneval, ist nicht überliefert.
Von Fastnachtswolllüsten und der ehelichen Treue
Der Professor des weltlichen Zivilrechts wie auch des Kirchenrechts an der Universität Basel Sebastian Brant hat in seinem Narrenschiff vom Ehebruch aus dem Jahr 1494 geschrieben:
"Ehbrechen wägt man so gering,
Als ob man schnellt´ einen Kieseling …
Man scheut jetzt Straf noch Tadel nicht,
Das macht, die in der Ehe Pflicht
Zerbrechen Krüge und Töpfe gleich
Und: "Schweig du mir, so ich dir schweig!"
Und: "Kratz du mich, so kratz ich dich!"
Die Scheidungsanträge nach der Faschingszeit nehmen auch heute noch ebenso sprunghaft zu wie die Geburten im November. Für den Karneval machen weder das 6. Gebot noch das moderne Recht eine Ausnahme. Es bleibt dabei: Im Sexualbereich ist die Einhaltung der ehelichen Treue die elementarste Rechtspflicht der Ehegatten.
Andere sexuelle Handlungen sind kein Ehebruch
Eine Eheverfehlung begeht bereits, so der Mainzer Professor Andreas Roth im Münchener Kommentar, wer nur den Anschein ehewidriger Beziehungen erweckt. Bis zur Eherechtsreform im Jahr 1976 war der Ehebruch sogar absoluter Scheidungsgrund (§ 42 Ehegesetz).
Allerdings waren sich die Juristen damals einig: Objektiv war zur vollendeten Tatausführung "eine Vereinigung der Geschlechtsteile erforderlich, aber auch ausreichend". Andere sexuelle Handlungen wie bloße Berührungen der Geschlechtsteile, gleichgeschlechtlicher Umgang, beischlafsähnliche Betätigungen sowie der Versuch des Ehebruchs fielen nicht hierunter.
Zusätzlich war Vorsatz erforderlich. Der untreue Ehegatte musste sich bei Vollziehung des Beischlafs also zumindest dessen bewusst sein, dass er den Geschlechtsverkehr mit einer Person des anderen Geschlechts vollzieht, mit der er nicht verheiratet ist. Eine beliebte Ausrede war die Annahme, der maskierte Partner sei der eigene Ehegatte.
Rachesex, Aufrechnung von Ehebruch und die Beichte danach
Eine Zustimmung zu gewissen Freiheiten im Karneval rechtfertigte zwar den Ehebruch nicht, führte aber zum Verlust des Scheidungsrechts. Der gehörnte Partner konnte sich nicht auf den Ehebruch des anderen berufen, wenn er diesen irgendwie bewusst gefördert hatte. Allein das Aufsuchen einer Faschingsveranstaltung fiel gleichsam als gefahrgeneigte Tätigkeit jedoch wohl nicht darunter.
Und was für den Karneval wichtig war: Hatte ein Ehegatte selbst Ehebruch begangen und der andere deswegen seinerseits die eheliche Treue gebrochen, konnte man grundsätzlich nicht sagen, dass der zuerst Betrügende dem sich rächenden Ehepartner den Ehebruch absichtlich erleichtert oder ermöglicht hätte. Eine Aufrechnung von Ehebrüchen gibt es nicht.
Und um wieder zum modernen Recht zurückzukommen: Die beiderseitigen Ehepflichten stehen zueinander nicht im Austauschverhältnis. Pflichtverletzungen des anderen Teils entschuldigen eigene Pflichtverletzungen nicht, so der Münchener Kommentar.
Auch wenn der "Täter" sich Mut antrinkt, um die geplante Tat zu vollführen, kann ihn das nicht entlasten. Wer voraussieht, dass er unter Alkoholeinwirkung zu Leichtfertigkeiten neigt und dies noch im Zustand der Verantwortlichkeit billigt, kann sich nicht später auf die enthemmende Wirkung alkoholischer Getränke berufen. Katholiken übrigens haben es leichter: Kirchenrechtlich ist der Ehebruch zwar eine Todsünde. Der Sünder kann sich aber durch das Sakrament der Buße davon wieder befreien. Allerdings: Er muss die Sünde aufrichtig bereuen!
Schabernackt, Bücken im Rheinland und Erregung öffentlichen Ärgernisses
Schabernackt-Bälle haben es zwischenzeitlich bereits zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht. Sie werden dort als Karnevalsveranstaltungen definiert, deren Besucher überwiegend freizügig kostümiert sind. Das Motto lautet beim München Schabernackt: "Kommen´s so oder so, aber mit´m bisserl was o".
Vorbei sind die Zeiten, in denen das OLG Düsseldorf (Urt. v. 12.6.2969, Az. 1 Ss 211/69) noch ein Karnevalslied deshalb als unzüchtig ansah, da in ihm der Vollzug des Geschlechtsverkehrs zwar nicht unmittelbar geschildert, aber "unter Tarnung vordergründig 'harmloser' Vorgänge in unmissverständlichen Andeutungen zum Ausdruck gebracht" wurde. Schon der Hinweis auf das "Bücken" reichte den Richtern aus dem Rheinland dafür aus, die energisch klarstellten: "Der Karneval gewährt Narrenfreiheit, aber nicht ein Ausnahmerecht, das unverdorbene sittliche Empfinden der Allgemeinheit zu verletzen." Und die Schriftleitung der NJW sah im Jahr 1970 davon ab, sämtliche Strophen des Liedes abzudrucken, obwohl es vielleicht die Auflagenhöhe gesteigert hätte Die Entscheidungsgründe gestatteten hinreichend Aufschluss über deren Inhalt, so die Begründung der Chefredaktion.
Die Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB) allerdings ist weiterhin strafbar. Demjenigen, der im Karneval öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absicht- oder wissentlich ein Ärgernis erregt, droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
Auch im Karneval gibt es davon keine Ausnahme. Allerdings setzt der Tatbestand bezüglich der Erregung des Ärgernisses Absicht voraus. Es muss dem Täter entweder gerade darauf ankommen, dass er Ärgernis erregt, oder er muss wissen, also als sicher voraussehen, dass dies geschehen wird. Nimmt er lediglich in Kauf, dass andere zusehen, entfällt die Strafbarkeit. Die Kommentierungen schweigen sich darüber aus, ob man im Karneval von vornherein davon ausgehen kann, dass die anderen Narren keinen Anstoß nehmen werden.
Der ander Leut verurteilt
Nicht nur der Ehebruch und andere Sünden werden im Narrenschiff von Sebastian Brant angeprangert. Es findet sich auch der selbstgerechte Narr, der über andere Leute zu Gericht sitzt:
"Ein Narr sich auf den Trost verläßt
Und meint, er sei der Allerbest …
Einem jeden dünkt sein Leben gut,
Das Herz allein Gott kennen tut;
Für schlecht hält man oft manchen Mann,
Den Gott doch kennt und liebgewann.
Auf Erden mancher wird geehrt,
Der nach dem Tod zur Hölle fährt.
Ein Narr ist, wer es wagt und spricht,
Er sei befleckt von Sünden nicht:
Doch jedem Narren das gebrist,
Daß er nicht sein will, was er ist."
Brant dafür ein dreifachkräftiges Alaaf!
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Jurist und Historiker.
Herbert Grziwotz, Fasching ohne Ehering: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5599 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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