Das europäische Gesellschaftsrecht soll modernisiert werden. Aktuell führt man in Brüssel eine Online-Befragung dazu durch. Deren Ergebnisse könnten das Startsignal für die digitale Transformation setzen, meint Jens Wagner.
Über 10 Jahre hinweg tat sich wenig, doch jetzt kommen die Maßnahmen Schlag auf Schlag: Die Europäische Kommission scheint entschlossen zu sein, das Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten in entscheidenden Bereichen anzugleichen und inhaltlich weiterzuentwickeln. Das Schlagwort heißt auch hier wieder einmal Modernisierung.
Erst in diesem Frühjahr hat man in Brüssel die Änderung der Aktionärsrechterichtlinie beschlossen. Die neuen Regelungen stellen herkömmliche Corporate-Governance-Strukturen in der deutschen Aktiengesellschaft in Frage. Sie zielen insbesondere auf einen stärkeren Einfluss der Investoren auf die Unternehmensleitung, für die nach dem Aktiengesetz eigentlich allein der Vorstand verantwortlich ist. Außerdem erhalten die Aktionäre mehr Mitspracherechte was die Vorstandsvergütung anbelangt.
Solche Neuerungen lösen hierzulande bei Liebhabern dogmatisch schlüssiger Governance-Konzepte mehr als nur ein Störgefühl aus. Internationale Investoren wird die Adaption an angelsächsische Muster hingegen freuen.
Gesellschaftsrecht geht auch digital
Damit jedoch nicht genug. Die Kommission will nun auch noch ein, wie sie es selbst nennt, "Upgrade" des europäischen Gesellschaftsrechts. Künftig sollen digitale Technologien und Verfahren sowohl bei der Gründung einer Gesellschaft als auch darüber hinaus während des gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens genutzt werden können – grenzüberschreitend und einheitlich in ganz Europa.
Dass zudem die grenzüberschreitende Mobilität der Unternehmen weiter gestärkt werden soll und die EU-Kommission dazu endlich auch das Internationale Gesellschaftsrecht angleichen will, ist ein beachtlicher Schritt nach vorn, doch gerät fast schon zur Nebensache. Für die Kommission steht die Digitalisierung ganz klar im Vordergrund.
Gerade für Deutschland sind solche digitalen Impulse aus Europa offenbar immer wieder notwendig: Das elektronische Handelsregister und das über das Internet einsehbare Unternehmensregister beruhen ebenso auf europäischen Vorgaben wie die Möglichkeit der Unternehmen, ihren Aktionären die (Online-)Briefwahl oder die Online-Teilnahme an der Hauptversammlung anzubieten. So wird wohl auch die nächste Digitalisierungswelle im Gesellschaftsrecht in Brüssel und nicht in Berlin angestoßen werden.
Eine Befragung, aus der mehr wird
Was gegenwärtig auf EU-Ebene läuft, ist der Sache nach erst einmal nur eine Konsultation. In deren Rahmen kann jedermann, der an dem Thema interessiert ist, seinen Input geben. Die Grundsatzentscheidung ist allerdings längst gefallen. Die EU-Kommission hatte die Initiative zur Förderung des Einsatzes digitaler Technologien während des Lebenszyklus eines Unternehmens bereits in ihrem Arbeitsprogramm für 2017 angekündigt.
Insoweit dient die Konsultation also nicht mehr als Entscheidungshilfe bezüglich des Ob, sondern nur noch hinsichtlich der richtigen Schwerpunktsetzung auf Detailebene und der zeitlichen Priorisierung. Dass die Fragen teils offen formuliert sind, ändert nichts an der Marschrichtung, die die Kommission eingeschlagen hat.
Die Fragen drehen sich insbesondere um die Möglichkeit, Gesellschaften online zu gründen, und um die Online-Kommunikation zwischen Gesellschaft und Investoren sowie die Online-Ausübung von Stimmrechten. Es ist zu erwarten, dass als Ergebnis der Befragung eine klare Zustimmung für die Möglichkeit des Einsatzes digitaler Technologien herauskommt. Schon in der Vergangenheit haben sich viele Stakeholder dafür ausgesprochen.
Ein entsprechender Richtlinienvorschlag der Kommission dürfte bereits Ende 2017 kommen.
Reform des europäischen Gesellschaftsrechts: . In: Legal Tribune Online, 29.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23040 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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