Beim Verkauf von Äckern zur Errichtung von Windkraftanlagen sind die Sicherung und der Ausbau einer umweltschonenden Energieversorgung als "volkswirtschaftlicher Belang" zu berücksichtigen. Der BGH stärkt damit die Rechte der Betreiber - nicht ohne zu betonen, dass landwirtschaftliche Flächen nach wie vor in erster Linie der Nahrungsmittelproduktion dienen. Von Andreas Klemm.
Die Arbeitsbelastung des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Rechtsfragen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. In der Regel handelt es sich hierbei um Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz stehen. Diese Rechtsverhältnisse werden dem Kaufrecht zugeordnet, so dass sich mit ihnen regelmäßig der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat befassen muss.
Die zunehmende Bedeutung erneuerbarer Energien wirkt aber auch in die Zuständigkeitsbereiche anderer BGH-Senate hinein. Das zeigt eine Entscheidung des Senats für Landwirtschaftssachen vom 15. April 2011, die das Gericht in dieser Woche veröffentlicht hat.
Dabei ging es um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage genehmigt werden kann (Beschl. v. 15.04.2011, Az. BLw 12/10).
Dringender Bedarf des Landwirts schließt Genehmigung aus
Hintergrund ist, dass die rechtsgeschäftliche Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke grundsätzlich der Genehmigung der jeweils zuständigen Landwirtschaftsbehörde bedarf. Die Rechtsgrundlage hierfür bildet das Grundstückverkehrsgesetz (GrdStVG) aus dem Jahr 1961.
Der kontrollierende Eingriff des Staates in den Geschäftsverkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken hat gute Gründe. Hierzu zählen vor allem die Sicherung des Fortbestandes land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und der Ernährungsvorsorge der Bevölkerung.
Die Landwirtschaftbehörde ist in ihrer Entscheidung allerdings nicht frei, sondern kann die Genehmigung nur unter engen, im einzelnen in § 9 GrdStVG geregelten Voraussetzungen versagen beziehungsweise durch Auflagen oder Bedingungen einschränken. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, haben die Parteien einen Rechtsanspruch auf Genehmigung.
Ein Versagungsgrund liegt insbesondere vor, wenn die Veräußerung zu einer "ungesunden Verteilung des Grund und Bodens" führt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdStVG). Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH dann der Fall, wenn landwirtschaftlich genutzter Boden an einen Nichtlandwirt veräußert werden soll und ein Landwirt das Grundstück zur Aufstockung seines Betriebes dringend benötigt (etwa BGH, Beschl. v. 04.07.1979, Az. V BLw 4/79).
Bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag muss die Behörde allerdings auch den "allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen" Rechnung tragen (§ 9 Abs. 6 GrdStVG). Eine Genehmigung darf deshalb ausnahmsweise auch dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Ablehnung dem Grunde nach vorliegen.
Konkurrenz zwischen Windkraft und Landwirtschaft wird zunehmen
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Betreiber von Windkraftanlagen ein landwirtschaftliches Grundstück erworben, um darauf ein Windrad aufzustellen oder um das Grundstück als Abstandsfläche für eine auf einem Nachbargrundstück zu errichtende Windkraftanlage zu nutzen. Die Behörde verweigerte dem Geschäft die Genehmigung, weil ein anderer Erwerbsinteressent ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht geltend machte. Während des umstrittenen Genehmigungsverfahrens errichtete der Anlagenbetreiber auf dem Nachbargrundstück eine Windkraftanlage, deren Rotorblätter das Vertragsgrundstück überstreifen.
Die Karlsruher Richter gehen in ihrem Beschluss davon aus, dass die Genehmigung dem Grunde nach hätte versagt werden müssen. Eine "ungesunde Bodenverteilung" liege im Falle des Erwerbes eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch einen Windkraftanlagenbetreiber grundsätzlich vor. Allerdings sei bei der Gesamtabwägung auch zu berücksichtigen, dass eine Windenergieanlage der Sicherung und dem Ausbau einer die Umwelt schonenden Energieversorgung dient. Dies sei ein allgemeiner volkswirtschaftlicher Belang im Sinne des § 9 Abs. 6 GrdStVG und führe dazu, dass der Erwerb grundsätzlich genehmigungsfähig sei.
Kritisch sieht der BGH aber, dass der Windkraftanlagenbetreiber das erworbene Grundstück nur als Abstandsfläche nutzen will. Die Richter betonen, dass § 9 Abs. 6 GrdStVG die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke für gewerbliche Zwecke nur in dem Umfang rechtfertigt, wie sie für diese Zwecke wirklich benötigt werden. Soll das Grundstück nur als Abstandsfläche genutzt werden, komme lediglich die Genehmigung eines zeitlich begrenzten Erwerbs mit einem Nutzungsrecht an der Fläche in Betracht - verbunden mit der Auflage, das Grundstück anschließend an einen Landwirt zu veräußern.
Der BGH hat damit eine ausgewogene Entscheidung getroffen: Zum einen bekennt er sich zu dem im GrdStVG verankerten Grundsatz, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen zu erhalten sind und in erster Linie dem Anbau von Nahrungsmitteln und der Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung dienen. Zum anderen trägt das Gericht dem zunehmenden Flächenbedarf durch Windkraftanlagen dadurch angemessen Rechnung, dass es die Sicherung und den Ausbau einer umweltschonenden Energieversorgung als volkswirtschaftlichen Belang im Sinne des § 9 Abs. 6 GrdStVG anerkennt.
Dabei ist abzusehen, dass sich die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelproduktion und Windkraftanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen künftig noch verschärfen wird - der BGH wird sich daher zu dieser Thematik sicherlich nicht zum letzten Mal geäußert haben.
Dr. Andreas Klemm ist Rechtsanwalt in Düsseldorf und berät insbesondere in den Bereichen Energie-Contracting, Erneuerbare Energien, Kraft-Wärme-Kopplung und Recht der Fernwärmeversorgung. Er ist außerdem Vorsitzender des Forums Contracting e.V.
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Entscheidung zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3891 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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