Bahnkunden in Deutschland haben es nicht leicht. Wegen des maroden Schienennetzes wird es wohl noch schlimmer. Mit einem Gesetzentwurf will der Bundesrat gegensteuern. Mehr Nachhaltigkeit auch in der Straßenverkehrs- und Energieplanung.
Mehr als 80 Tagesordnungspunkte, der Bundesrat hatte viel zu tun in der ersten Sitzung nach der Sommerpause am Freitag: Er musste nicht nur seine Stellungnahme zum Cannabisgesetz der Ampel abgeben, sondern sich auch noch mit dem nicht minder umstrittenen Heizungsgesetz und der Nachhaltigkeitswende im Straßenverkehrsrecht befassen.
Während in Sachen Cannabis-, Heizungs- und Straßenverkehrsgesetz der gesetzgeberische Impuls jeweils aus der Regierung kam, brachte die Länderkammer am Freitag auch diverse eigene Initiativen auf den Weg.
"Tempo auf der Schiene, Tempo für die Schiene"
So will die Länderkammer u.a. den Ausbau der Bahnstrecken in Deutschland beschleunigen. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Länder Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird in den Bundestag eingebracht (BR-Ds 466/23). Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dazu: "Deutschland braucht Tempo auf der Schiene, Deutschland braucht Tempo für die Schiene." Die Planung und der Ausbau von Schienenverbindungen und Bahnstrecken müsse deutlich beschleunigt werden.
Laut Gesetzentwurf soll beim Bau eines zweiten Gleises an einer bestehenden Strecke die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingeschränkt werden. Zudem soll bei Klagen zu Genehmigungsverfahren das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz zuständig sein und damit der Instanzenweg deutlich verkürzt werden.
Die Bundesregierung plant ebenfalls ein Gesetz für einen schnelleren Verkehrsausbau. Kernpunkt ist, dass die Realisierung besonders wichtiger Vorhaben bei Eisenbahnen und Fernstraßen künftig im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen soll. Der Bundestag hat das Gesetz noch nicht beschlossen, der Bundesrat muss zustimmen.
Diese Pläne reichten nicht aus, sagte Woidke. Sie bezögen sich auf Projekte im Bundesverkehrswegeplan. Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) ergänzte, Bund, Länder und Kommunen müssten in der Verkehrspolitik deutliche Anreize schaffen, damit die Bahn attraktiver und Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werde. Dazu brauche es einen raschen Ausbau der Schieneninfrastruktur. Derzeit gebe es aber zahlreiche Hemmnisse bei der Planung und Genehmigung der Schieneninfrastruktur.
Heizungsgesetz kommt 2024, auch Wärmeplanungsgesetz auf dem Weg
Das Signal auf Grün stellten die Länder in puncto Heizungsgesetz: Der Bundesrat billigte am Freitag den Regierungsentwurf für ein Gebäudeenergiegesetz (GEG), über das so lange – sogar vor dem Bundesverfassungsgericht – gerungen worden war. Ein Antrag Bayerns, den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anzurufen, fand keine Mehrheit. Damit kann das Gesetz Anfang 2024 in Kraft treten.
"Selten hat ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land derart verunsichert und verärgert", sagte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), im Bundesrat. Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) nannte das Verfahren zum GEG einen "traurigen Tiefpunkt" in der Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland. Es seien weiter viele Fragen offen.
Der Bundestag hatte das GEG vor drei Wochen beschlossen – nach langen Konflikten innerhalb der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Vor allem die FDP hatte wesentliche Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf durchgesetzt. Das GEG soll einen wesentlichen Beitrag für mehr Klimaschutz in Gebäuden leisten, so die Bundesregierung. Es zielt darauf ab, durch einen Austausch von Öl- und Gasheizungen Schritt für Schritt das Heizen in Deutschland klimafreundlich zu machen. Ab 2024 gilt das GEG erst einmal nur für Neubaugebiete.
Für Bestandsbauten soll eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein, die schrittweise kommen soll. Der Bundesrat beriet am Freitag erstmals über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung, wonach Großstädte spätestens bis zum 30. Juni 2026 einen Wärmeplan erstellen sollen, Städte unter 100.000 Einwohnern bis zum 30. Juni 2028. Für kleine Gemeinden unter 10.000 Einwohnern soll es vereinfachte Verfahren geben können. Die Länder sollen vorsehen können, dass für mehrere Gemeindegebiete eine gemeinsame Wärmeplanung erfolgen kann. Die Länderkammer muss dem Gesetz nicht zustimmen.
Reform des Straßenverkehrsrechts: noch viel zu tun
Das Straßenverkehrsrecht soll nachhaltiger werden: Ein schon im Juni beschlossener Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sieht vor, dass künftig neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auch die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden sollen. Dies soll den Behörden und Kommunen mehr Flexibilität geben: So sollen Busspuren und Radwege leichter eingerichtet werden können, ebenso wie Tempo-30-Regelungen.
Verkehrsminister aus Baden-Württemberg und Niedersachsen fordern allerdings Nachbesserungen bei der geplanten StVG-Reform. Winfried Hermann (Grüne) aus Baden-Württemberg sagte am Freitag im Bundesrat, man begrüße die Pläne grundsätzlich. Es gebe aber an einigen Punkten noch Klärungsbedarf. Hermann nannte zum Beispiel die Möglichkeit für eine soziale Staffelung von Parkgebühren. Entscheidend sei außerdem, was aus den Gesetzesänderungen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) gemacht werde. Zu dieser hat das Verkehrsministerium bislang keinen Entwurf veröffentlicht. Der Bundesrat bezog am Freitag nur zur StVG-Novelle Stellung.
In der Tat hängt die praktische Wirkung der Reform vor allem an der Änderung des § 45 StVO ab. Solange die nicht beschlossen ist, wird es – wie LTO im Juni ausführlich berichtete – auch nicht zu dem "Paradigmenwechsel" im Straßenverkehrsrecht geben, von dem etwa Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) am Freitag sprach. Auch Lies wies darauf hin, dass die Möglichkeiten, die das neue StVG schaffe, nicht in der StVO wieder eingegrenzt werden dürften. Nach der Stellungnahme des Bundesrates geht die StVG-Novelle zur Abstimmung zurück an den Bundestag.
Eine Zusammenfassung der wichtigsten Beschlüsse der 1036.Sitzung des Bundesrates findet sich hier.
mk/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Neben Cannabis, Heizungsgesetz und Straßenverkehr: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52819 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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