BVerfG zum Numerus Clausus in der Humanmedizin: Fair wird es noch lange nicht

2/2: Vorgaben zur Studienplatzvergabe nach der Wartezeit

Das Verfassungsgericht entschied zudem, dass auch weiterhin nicht mehr als 20 Prozent der Studienplätze nach der Wartezeit vergeben werden dürfen. Auch hierbei sei die Begrenzung der Zahl der anzugebenden Studienorte sachlich nicht gerechtfertigt, unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Da auch eine unbegrenzte Wartezeit nicht mit den Grundrechten vereinbar sei, bedürfe es einer zeitlichen Begrenzung. Dabei geht das BVerfG bewusst davon aus, dass dies dazu führen kann, dass viele Studienplatzbewerber über die Warteliste keinen Platz erhalten werden.

Die zeitliche Begrenzung der Wartezeit ist für Studieninteressierte der Medizin nachteilig, weil sie nicht nach langer Wartezeit letztlich sicher einen Platz erhalten werden. Das wird nach Ausgestaltung durch den Gesetzgeber dazu führen, dass früher oder später keine hinreichende Zahl von Studienplätzen innerhalb der festzusetzenden Wartezeit verfügbar sein wird. Bewerber, die dann "zu kurz kommen", sind dann gezwungen, über die Vergabe des universitären Auswahlverfahrens und gegebenenfalls letztendlich über eine Studienplatzklage einen Studienplatz für die Medizin zu erhalten.

Guter Schritt, aber noch lange nicht fair

Insgesamt ist die Entscheidung des BVerfG ein positives Signal für Studieninteressierte, auch wenn der Numerus Clausus wie erwartet bestehen bleibt. Zwar haben sich die Karlsruher Richter im Wesentlichen auf das konkrete Verfahren beschränkt und praktische Probleme bei der Verfolgung einer Studienplatzklage, wie etwa die künstliche Aufsplittung der Studienplatzklagen durch die Gerichte, darin nicht bedacht. Allerdings haben sie dem Gesetzgeber für die innerkapazitäre Vergabe der Medizin-Studienplätze einige erhebliche Probleme aufgezeigt, die dieser künftig angehen muss. Grundlegende Veränderungen werden sich vor allem daraus ergeben, dass eine Begrenzung der Studienorte nebst Ortspräferenz bei der Bewerbung nach der Entscheidung vom Dienstag verfassungswidrig ist. Das erweitert die strategischen Möglichkeiten der Studienplatzklagen Medizin innerkapazitär und außerkapazitär erheblich.

Damit ist es auch nicht nur dem einfachen Gesetzgeber allein überlassen, die Breite der Bewerbungskriterien zu bestimmen. Breit angelegte Bewerbungskriterien sind nunmehr sogar verfassungsrechtlich geboten. Sollte er dabei weiterhin vornehmlich auf die Abiturbestenquote und die Auswahlverfahren der Hochschulen als Kriterien abstellen, sind diese Auswahlverfahren künftig transparent, breit und eben ausdrücklich nicht nur schulnotenorientiert auszugestalten.

So werden die neuen verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG für das universitäre Auswahlverfahren dazu führen, dass die Hochschulen nunmehr nicht mehr intransparent in nahezu willkürlicher Weise nach eigenen Kriterien agieren können. Die in Karlsruhe  geforderte Transparenz bedeutet für Studienplatzklagen bessere Aussichten auf Erfolg, weil Fehler im Rahmen der innerkapazitären Auswahlverfahren leichter aufgedeckt werden können.

Die Begrenzung der Wartezeit dürfte sich wegen der seitens des BVerfG formulierten Einschränkung in der Praxis jedoch eher nachteilig für die Studieninteressierten auswirken: Sie werden, sobald "ihre Zeit abgelaufen" ist, über die universitären Auswahlverfahren versuchen müssen, einen Studienplatz in der Medizin zu ergattern – und dabei nicht selten gezwungen sein, den Rechtsweg zu beschreiten.

Der Autor Dr. Arne-Patrik Heinze ist als Rechtsanwalt für Studienplatzklagen, Verfassungsbeschwerden und Prüfungsanfechtungen sowie als wissenschaftlicher Fachautor aktiv. Zudem ist er bundesweit als Dozent im Öffentlichen Recht im kommerziellen Sektor sowie an Hochschulen tätig.

Zitiervorschlag

Arne-Patrik Heinze, BVerfG zum Numerus Clausus in der Humanmedizin: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26107 (abgerufen am: 06.11.2024 )

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