Werbung mit Prominenten zum Nulltarif ist spätestens seit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine möglich – aber eben nicht immer. Eine redaktionell getarnte Werbung mit Gunter Sachs in der "Bild am Sonntag" kostet den Springer Verlag 50.000 Euro Lizenzgebühr. David Ziegelmayer zeigt, warum auch verstorbene Promis ein Recht auf Privatsphäre haben, das für Unternehmen teurer werden kann als gedacht.
"Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt Gunter Sachs. Bild am Sonntag ist sein Hafen". Mit diesen gemütlichen Zeilen einer Zwischenüberschrift meinte die gleichnamige Zeitung, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden zu können: Ein hübsches Papparazzi-Foto des "BamS"-schmökernden Sachs auf seiner "Lady Dracula" als Werbung für das eigene Produkt. Hübsch verpackt in einem redaktionell aufgemachten Artikel. Kostenpunkt: Ein schmales Fotografenhonorar. So billig sollte die Zeitung dann doch nicht davonkommen, hatte der Vorsitzende Richter des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), Joachim Bornkamm, schon am vergangenen Donnerstag in der mündlichen Verhandlung angedeutet. Dort zeichnete sich ab, dass der BGH die Revision des beklagten Springer Verlages zurückweisen würde.
Mit dem am Freitag verkündeten Urteil (v. 31.05.2012, Az. I ZR 234/10) hat der BGH das Urteil, das er selbst "Playboy am Sonntag" getauft hat, des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 10. August 2010 (OLG, Az. 7 U 130/09) in vollem Umfang bestätigt und den Verlag zu einer Lizenzzahlung von 50.000 Euro an die Erben des im vergangenen Jahr verstorbenen Sachs verurteilt.
Promi-Konterfei ist tabu
Sieht man sich die höchstrichterliche Rechtsprechung der vergangenen Jahre an, darf man hinzufügen: zu Recht. Denn grundsätzlich muss es niemand - auch Prominente nicht - hinnehmen, dass das eigene Bildnis von Dritten für deren Werbezwecke eingesetzt wird.
Im Gunter Sachs-Fall war daher die wenig interessante Frage, ob die BamS überhaupt mit dem "Fotografen, Unternehmer, Kunstsammler und Buchautor", wie es charmant im Urteil des OLG heißt, in privater Pose werben durfte, schnell beantwortet: Sie durfte es nicht und darf es auch in Zukunft nicht. Hieran, so der BGH, ändert auch der Umstand nichts, dass die Werbung sich nicht in einer als solchen erkennbaren Anzeige, sondern in einem redaktionellen Artikel befand.
Aufhänger und wahrscheinlich auch der Grund für die Annahme der Revision durch den BGH, die das OLG nicht zugelassen hatte, war vielmehr, ob die Zeitung für ihr Verhalten auch eine Lizenzgebühr an die unfreiwillige Werbefigur Sachs zahlen muss. Hier wird es in der Rechtsprechung komplizierter: Im Fall Lafontaine verneinte der I. Senat des BGH seinerzeit einen Schadensersatzanspruch des Ex-Ministers in Höhe von 100.000 Euro gegen die Autovermietung Sixt, die seinen Rücktritt werblich ausgeschlachtet hatte. Allerdings nur ausnahmsweise: Maßgeblich, so die Richter zur Begründung, sei der zeitgeschichtliche, aktuelle Aufhänger gewesen, nämlich der Rücktritt des Politikers (BGH, Urt. v. 26.10.2006, Az. I ZR 182/04).
Es sei denn: Es gibt einen Aufhänger
Ein solcher Aufhänger fehlte der BamS völlig. Sie hatte sich, nach einer im Hinblick auf den Lizenzanspruch siegreichen Instanz beim Landgericht Hamburg beim OLG nur noch vergeblich damit verteidigt, sie habe sich den "Imagetransfer" des Playboys auf die BamS nicht zunutze gemacht. Die Richter im Norden zeigten sich wenig beeindruckt und verurteilten Springer zusätzlich zur Unterlassung noch zur Zahlung einer "fiktiven Lizenz":
"Die Lektüre der BILD am SONNTAG durch den Kläger ist die einzige aktuelle Information, die sich dem Text entnehmen lässt, während die übrigen Informationen erkennbar allein den Zweck verfolgen, zur Vergrößerung seines Werbewertes die Person des Klägers näher zu bezeichnen. […] Die im Zentrum stehende Mitteilung, dass der Kläger die BILD am SONNTAG in St. Tropez lese, hat keinen Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Vielmehr stellen der Text und die Abbildung des Klägers in der Mitte der Seite ganz überwiegend Instrumente der Werbung für die Zeitung dar."
Bei der Höhe der Lizenzzahlung hatten die Hamburger Richter übrigens zu Lasten des Verlags erschwerend berücksichtigt, dass Sachs seinerzeit eine Ikone und "für den Lebensstil der damaligen Generation prägend" gewesen sei. Da sich dem Geschäftsverteilungsplan des Hanseatischen Oberlandesgerichts die Geburtstage der Richter leider nicht entnehmen lassen, bleibt offen, ob der Senat eigene Lebenserfahrung einfließen ließ.
Der Autor David Ziegelmayer ist Rechtsanwalt bei CMS Hasche Sigle am Standort Köln. Er ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und berät Personen und Unternehmen in äußerungsrechtlichen Auseinandersetzungen.
David Ziegelmayer, BGH verbietet BamS-Werbung mit Sachs: . In: Legal Tribune Online, 01.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6311 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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