BGH zum Fall Schulte-Kellinghaus: Lang­same Richter dürfen gerügt werden

von Dr. Christian Rath

07.09.2017

Ein Richter darf auch dann ermahnt werden, wenn er zu gründlich arbeitet - und deshalb viel weniger Fälle erledigt als andere Richter. Thomas Schulte-Kellinghaus konnte vor dem BGH nur einen eher rudimentären Teilerfolg erzielen. 

Thomas Schulte-Kellinghaus ist Richter am Freiburger Außensenat des Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Er erledigt seit Jahren deutlich weniger Fälle als seine Kollegen. Nicht, weil er seine Tage auf dem Tennisplatz zubringt, sondern weil er sich für den einzelnen Fall besonders viel Zeit nimmt. Seine damalige Gerichtspräsidentin Christine Hügel hat ihn deshalb im Jahr 2012 förmlich ermahnt. Er erledige in manchen Jahren weniger Fälle als ein Halbtagsrichter. Das sei "jenseits aller großzügig zu bemessenden Toleranzbereiche".

Schulte-Kellinghaus wollte sich das nicht gefallen lassen und klagte vor dem Richterdienstgericht in Karlsruhe und dem Dienstgerichtshof in Stuttgart gegen den "einmaligen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit". Man könne von ihm nicht verlangen, weniger sorgfältig zu arbeiten. Ohne Erfolg. Nun musste das Dienstgericht des Bundes, ein Senat am Bundesgerichtshof (BGH), als letzte Fach-Instanz entscheiden. Das Verfahren gilt als bundesweiter Präzedenzfall.

Schulte-Kellinghaus: Erledigungszahlen sagen nichts über Leistung

Die Verhandlung begann auf den für diesen Fall typischen Nebenkriegsschauplätzen. Zunächst rügte Schulte-Kellinghaus die "ungewöhnlich inhaltsleere Presseankündigung" des BGH. Auch bat er den Senat um Prüfung, ob die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen wirklich "gesetzliche Richterin" in diesem Verfahren sein könne. Sie hatte sich in seinen Augen unglaubwürdig zu ihrer bisherigen Beteiligung an der BGH-Pressearbeit zu seinem Fall geäußert. Immerhin verzichtete Schulte-Kellinghaus diesmal auf Befangenheitsanträge. Daran war vor einem Jahr noch ein erster Versuch, das Verfahren am BGH zu verhandeln, gescheitert.

Schulte-Kellinghaus hielt dann ein fulminantes rund einstündiges Plädoyer in eigener Sache. Die OLG-Präsidentin habe von ihm damals "Rechtsprechung light" verlangt. Eine "Rechtsanwendung nach Kassenlage" widerspreche aber dem Grundgesetz. Es sei eine "Lebenslüge" vieler Richter, zu behaupten, der Erledigungsdruck habe keinen Einfluss auf ihre Rechtsprechung. Als Gegenbeispiel nannte er rechtswidrig durchgeführte Deals in Strafverfahren und die zunehmende Erfolglosigkeit von Nichtzulassungsbeschwerden am BGH.

Die Orientierung an erledigten Fällen schütze auch nicht vor faulen Richtern, so Schulte-Kellinghaus. "Die Erledigungszahlen haben nichts mit der Leistung der Richter zu tun. Faule Richter haben nie Probleme, die verlangten Zahlen zu schaffen." Entscheidend sei, dass Verfahren sachgerecht entschieden werden. "Aber sachgerecht kann nur das sein, was der Richter nach seiner Überzeugung für sachgerecht hält." Jede Vorgabe von außen sei ein Eingriff in die grundgesetzlich garantierte richterliche Unabhängigkeit.

Zitiervorschlag

Christian Rath, BGH zum Fall Schulte-Kellinghaus: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24389 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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