BGH zum Fall Schulte-Kellinghaus: Lang­same Richter dürfen gerügt werden

von Dr. Christian Rath

07.09.2017

2/2: Schulte-Kellinghaus: Staat muss genug Richter einstellen

Schulte-Kellinghaus räumte ein, dass die Bürger auch Anspruch auf "effektiven Rechtschutz" haben und nicht jahrelang auf ein Urteil warten wollen. Das Gebot effektiven Rechtschutzes richte sich aber nur an den Staat, nicht an den einzelnen Richter. Der Staat müsse eben genügend Richter einstellen. Dass sich der Erledigungsdruck erhöht habe, liege nicht an einer Zunahme der Fälle, sondern an zunehmender Komplexität. Pro Fall brauche man bei gleicher Qualität heute "mindestens die doppelte Zeit" im Vergleich zu den 1990er-Jahren.

Er, Schulte-Kellinghaus, habe sich bisher "dem Erledigungsdruck nicht gebeugt". Wenn aber der BGH die Ermahnung seiner Ex-Präsidentin absegne, werde "der Erledigungsdruck institutionalisiert". Der streitbare Richter erinnerte daran, dass der Begriff "Erledigungsleistung" erst von Hügel "in den Sprachgebrauch der Justiz eingeführt" worden sei.

Für das beklagte Land Baden-Württember erwiderte Jens Martin Zeppernik, Präsidialrichter am OLG Karlsruhe: "Gründlich oder schnell muss kein Gegensatz sein. Es ist möglich, gründliche Entscheidungen in angemessener Zeit zu treffen. Der allergrößte Teil der Richter in Baden-Württemberg schafft das." Es könne nicht sein, dass ein Richter allein entscheidet, wie viele Fälle er im Jahr erledigt.

BGH: Unzulässig wäre nur nicht sachgerechtes Pensum

Der BGH sah das wohl ähnlich. "Grundsätzlich darf ein Richter zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung seiner Amtsgeschäfte ermahnt werden", sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen. Unzulässig wäre nur, wenn von einem Richter ein Pensum abverlangt wird, dass allgemein, also auch von anderen Richtern, nicht mehr "sachgerecht" erledigt werden kann. Was aber hält der BGH für "sachgerecht"? Die durchschnittliche Arbeitsleistung aller Richter eines Gerichts könne dabei zumindest ein "Anhaltspunkt" sein, sagte Richterin Mayen in der Verhandlung.

Wie die durchschnittliche Arbeitsleistung ermittelt wird, muss nun der Dienstgerichtshof in Stuttgart noch einmal untersuchen (Beschl. v. 07.09.2017, Az. RiZ (R) 2/15 u.a.). Er hatte dies in seinem Urteil von 2015 nicht geprüft, weil es keine Frage der Dienstaufsicht sei. Wenn Schulte-Kellinghaus mit dem Zustandekommen derZahlen nicht einverstanden sei, müsse er das Verwaltungsgericht anrufen, so die Stuttgarter Richter damals.

Das sah der BGH nun aber anders. Wenn die durchschnittliche Arbeitsleistung der Richter in den Maßstab einfließe, was eine "sachgerechte" Erledigung ist, dann sei dies eben auch dienstgerichtlich relevant. Vermutlich wird Schulte-Kellinghaus beim erneuten Gang nach Stuttgart aber wenig Punkte machen können, da er ja weniger das Zustandekommen der Zahlen kritisiert als vor allem deren Bedeutung. Die teilweise Aufhebung des Stuttgarter Urteils und die Zurückverweisung an den Dienstgerichtshof führt nun aber dazu, dass er die im Vorfeld angekündigte Verfassungsbeschwerde zunächst nicht einlegen kann.

In zwei Parallelverfahren hatte Schulte-Kellinghaus gar keinen Erfolg. Hier wurden seine Revisionen zurückgewiesen. Die Anordnung einer Sonderprüfung sei nicht anlasslos gewesen und deshalb auch kein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Vielmehr habe sein ehemaliger Senatsvorsitzender die Präsidentin auf die zahlreichen bei einem Senatswechsel zurückgelassenen Akten hingewiesen. Und nur diese seien auch geprüft worden. Den Antrag von Schulte-Kellinghaus gegen einen Vermerk von Christine Hügel erklärte der BGH sogar für unzulässig. Eine "vorbereitende Verfahrenshandlung" sei nicht isoliert anfechtbar.

Zitiervorschlag

Christian Rath, BGH zum Fall Schulte-Kellinghaus: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24389 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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