BGH hebt Urteil wegen Mordes auf: Keine Rechts­fol­gen­lö­sung für den 'Stü­ckel­mörder'

von Pia Lorenz

07.04.2016

2/2: BGH: keine Rechtsfolgenlösung für andere  Mordmerkmale

Und so sah die Schwurgerichtskammer sich gezwungen, die sogenannte Rechtsfolgenlösung anzuwenden, um nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe für den Beamten zu kommen. Dass Wojciech S. mit der Tötung durch den Mann, den er im Chat als "Caligula31" kennengelernt hatte, nicht nur einverstanden war, sondern seit mehreren Jahren unbedingt so sterben wollte, wertete sie als außergewöhnlichen Umstand i.S.v. § 49 StGB und milderte die Strafe ab.

Das war rechtsfehlerhaft. Auf diese Information beschränkt sich die bislang allein vorliegende Pressemitteilung des BGH vom Mittwoch. Man darf annehmen, dass die höchsten deutschen Strafrichter bei ihrer bisherigen Linie bleiben und die Rechtsfolgenlösung nicht auf andere Mordmerkmale als die heimtückische Tötung ausdehnen wollen.

Etabliert hatte der  BGH die Rechtsfolgenlösung im sogenannten Haustyrannenfall. Auch bei der Tötung eines Erpressers, bei schweren vorangegangenen Provokationen durch das spätere Opfer oder in Situationen, die der Täter für ausweglos hielt, haben die Bundesrichter die ihres Erachtens erforderlichen konkreten "Entlastungsfaktoren" gesehen, welche die lebenslange Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen lassen. All diese Fälle betrafen aber das Mordmerkmal der Heimtücke, bei dem der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzt.

Alles ist möglich: auch ein Freispruch

Einmal mehr stellt der BGH also klar, dass er die Reduktion der lebenslangen Freiheitsstrafe auf Fälle wie den des LKA-Beamten, aber auch den des sogenannten Kannibalen von Rothenburg nicht ausdehnen will. Es mag dahinstehen, wie vergleichbar diese im Umfeld dunkler Triebe angesiedelten Verbrechen mit den Verzweiflungstaten sind, für welche die Rechtsfolgenlösung geschaffen wurde.
Aber auch diese Fälle sind besonders. Und zwar unabhängig von den Umständen, die sich wie das Drehbuch für einen Horrorfilm lesen. Es ist nicht der Kannibalismus, der sie besonders macht, sondern es ist die Entscheidung des Getöteten, sterben zu wollen.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BGH mehr als nur die Ablehnung, eine aus der Not geborene Ausnahme-Rechtsprechung  noch weiter auszudehnen. Vielleicht sehen die höchsten deutschen Strafrichter auch schlicht kein Bedürfnis dafür, den ehemaligen LKA-Beamten auf Rechtsfolgenseite zu privilegieren. Vielleicht kommt es zu der Frage im zweiten Anlauf gar nicht. Schließlich hat der Senat auch dem Ex-LKA-Beamten Recht gegeben und die Beweiswürdigung des LG zu den Umständen des Todes von Wojciech S. kritisiert und aufgehoben.

Womöglich wird Detlev G. dann nur nach § 216 StGB bestraft. Auch wenn nach geltendem Recht niemand in seine eigene Tötung durch fremde Hand einwilligen kann, so dass der andere straffrei bleibt, sieht die Vorschrift doch für eine Tötung auf Verlangen mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren ein völlig anderes Strafmaß vor.

Vielleicht wird eine andere Kammer des LG sogar zu dem Ergebnis kommen, dass Wojciech S. sich stranguliert hat, wie der Angeklagte stets behauptete. Die Pressemitteilung des BGH ist insoweit ergiebiger, als sie auf den ersten Blick scheint: "Das Landgericht hat die Möglichkeit einer Selbsttötung nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen", heißt es dort. Selbst wenn Detlev G. ihm dabei geholfen hätte, wäre diese Beihilfe zur Selbsttötung nach deutschem Recht nicht strafbar. Der Vorsitzende des Leipziger Strafsenats brachte es nach der Urteilsverkündung so auf den Punkt: "Von einem Freispruch bis hin zu lebenslänglich ist alles möglich."

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, BGH hebt Urteil wegen Mordes auf: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18998 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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