Das BAG demonstrierte in diesem Jahr Einigkeit hinsichtlich unbilliger Weisungen. Auf dem Urteils-Programm stand zudem Arbeitnehmerüberwachung durch Keylogger. Und es gilt: krank ist krank – nur nicht bei Zeugungsunfähigkeit.
1/7: Keylogger-Daten unverwertbar
Mal unter uns – dieses Ergebnis war absehbar. Auch Arbeitnehmer sind Menschen und Datenschutz spielt zumindest bei den obersten Gerichten auch immer eine Rolle. So kam das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Kündigungsschutzprozess zu dem Ergebnis: Eine Überwachung des Beschäftigten mit Hilfe eines Keyloggers ist unzulässig (Urt. v. 27.07.2017, Az.2 AZR 681/16).
Zumindest dann, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Mit einem Keylogger werden nämlich alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet. Das ging – zumindest in diesem Fall – zu weit.
2/7: Betriebsratswahlen 2018 gerettet
Was für die Bundestagswahl nicht gut genug ist, reicht allemal für die Betriebsratswahlen: Das für diese vorgesehene d'Hondtsche Höchstzahlverfahren verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), entschied das BAG (Beschl. v. 22.11.2017, Az. 7 ABR 35/16).
Weil alle gängigen Verfahren Abweichungen vom sog. "Idealanspruch" haben, habe der Verordnungsgeber einen "Gestaltungsspielraum" bei der Auswahl. Und schließlich, so die spannende These des Landesarbeitsgerichts, die das BAG bestätigte, ginge es bei der Betriebsratswahl nicht um eine streng spiegelbildliche Repräsentation, sondern (nur) darum, dass sich die Belegschaft "wiederfindet". Die Richter in Erfurt erklärten zudem, das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren fördere die Mehrheitssicherung, was ein anzuerkennendes Ziel sei. Das Verfahren wurde für die Wahl zum Bundestag schon vor Jahrzehnten als untauglich befunden wurde.
3/7: Unbillige Weisungen sind unverbindlich
Zäsur! Im Juli teilte der Fünfte Senat mit, er hielte an seiner bisherigen Auffassung zu unbilligen Weisungen des Arbeitgebers nicht länger fest. Bis dahin war er stets der Auffassung, Arbeitnehmer müssten unbilligen Weisungen ihres Arbeitgebers folgen, bis sie vor Gericht obsiegten. Der 10. Senat stellte dies in Frage (Beschl. v. 14.06.2017, Az. 10 AZR 330/16) – und überzeugte die Kollegen. Nun herrscht Einigkeit in Erfurt – doch einige Experten meinen: zu Lasten der Arbeitnehmer.
Denn zuvor war die Sachlage klar: Der Arbeitgeber hat ein Weisungsrecht, der Arbeitnehmer hat zu folgen, sonst drohten Verlust des Vergütungsanspruchs oder gar die Kündigung. Nun trage der Arbeitnehmer das Abschätzungsrisiko: Stelle sich nach einer häufig mehrere Monate dauernde arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung heraus, dass die Weisung doch wirksam war, muss er auch die arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung tragen.
4/7: Kinderwunsch ist keine Krankheit
So ist es wohl: Wer sich künstlich befruchten lässt, stellt den Arbeitsausfall selbst her – und hat nach Ansicht des BAG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Urt. v. 26.10.2016, Az. 5 AZR 167/16). Der Kinderwunsch sei eine persönliche Lebensentscheidung – was das BAG sonst so ausführt, kann man womöglich auch anders sehen. Hilft aber nichts, das Gericht hat entschieden: Die Zeugungsunfähigkeit des Partners, die der Grund für die künstliche Befruchtung war, sei keine Krankheit der Arbeitnehmerin. Empfängnis- und Zeugungsunfähigkeit seien zwar bei erwachsenen Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter negative physische Abweichungen vom regelgerechten Körperzustand. Dieser habe jedoch beim Partner der Arbeitnehmerin vorgelegen, nicht bei der im Rahmen des Verfahrens betroffenen Frau selbst.
Werde also erst durch In-vitro-Fertilisation willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Erkrankung herbeigeführt, sei von einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen, Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden, auszugehen und ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ausgeschlossen.
5/7: Krank ist krank – auch für Personalgespräche
Anders als bei dem unerfüllten Kinderwunsch verhält es sich bei der Männergrippe. Zugegeben: Wir wissen nicht, aus welchen Gründen der Krankenpfleger arbeitsunfähig war. Fest steht nur: Er sollte trotz dokumentierter Arbeitsunfähigkeit bei seinem Arbeitgeber zum Personalgespräch erscheinen – und weigerte sich mit Hinweis auf die bestehende Arbeitsunfähigkeit. Musste er auch nicht, entschied das BAG (Urt. v. 02.11.2016, Az. 10 AZR 596/15).
So weit reiche das Direktionsrecht des Arbeitgebers nämlich nicht. Wer krank ist, ist krank – und darf der Arbeit und damit auch Personalgesprächen fernbleiben. Denn wer der Arbeitspflicht nicht nachkommen muss, müsse auch nicht im Betrieb erscheinen oder sonstige Nebenpflichten gegenüber dem Arbeitgeber erfüllen, so die Erfurter Richter.
6/7: Privathaushalt mit 15 Arbeitnehmern
Ein Schmankerl, das der Redaktion bei der Diskussion viel Freude bereitet hat: Der Privathaushalt mit 15 Angestellten und die Frage des daraus resultierenden Kündigungsschutzes. Es gibt Probleme, die muss man erst mal haben. Zählt ein Privathaushalt mit 15 Bediensteten als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)? Mit dieser Frage hatte das BAG sich nur kurz zu beschäftigen, der Fall endete nämlich in einem Vergleich (Az. 2 AZR 500/16).
Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Essen, Urt. v. 17.12.2015, Az. 1 Ca 2808/15 u. Landesarbeitsgericht LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.05.2016, Az. 14 Sa 82/16) aber stellten auf das besonderes Vertrauensverhältnis ab, das die Beschäftigung in einem Privathaushalt verlange – und lehnten damit die Anwendbarkeit des KSchG ab. Die Kündigung sei damit auch bei dauerhafter Beschäftigung von rund 15 Arbeitnehmern ohne Angabe von Gründen möglich. Das KSchG setze nicht nur die dauerhafte Beschäftigung von mehr als zehn Arbeitnehmern voraus, sondern auch eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen". Das LAG bezog sich auf den Wortlaut sowie auf systematische Erwägungen mit Blick auf das Einkommenssteuerrecht.
7/7: Mindestlohn und Nachtzuschlag
Das BAG hat im Jahr 2017 für Arbeitgeber eine weitere Lücke geschlossen, den gesetzlichen Mindestlohn bei Zuschlägen zu umgehen. Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen bestimme sich – soweit kein höherer tariflicher oder vertraglicher Vergütungsanspruch besteht – nach § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) i.V.m. § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG), hieß es aus Erfurt zu dieser wichtigen praktischen Frage (Urt. v. 20.09.2017, Az. 10 AZR 171/16).
Das BAG führte aus, dass das MiLoG zwar nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden gewähre. Das Entgeltausfallprinzip des EFZG gelte aber auch, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimme. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheide damit aus. Der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt müssten nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls (mindestens) auf Grundlage des (damals geltenden) gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro berechnet werden, da dieser Teil des "tatsächlichen Stundenverdienstes" im Sinne des Manteltarifvertrags sei.
Tanja Podolski, Sollte man kennen: Sechs wichtige Urteile des BAG aus 2017 – und ein interessanter Vergleich . In: Legal Tribune Online, 13.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25987/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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