2/2: "Befristet" muss nicht wörtlich draufstehen
Diese Argumentation überzeugte sowohl das Arbeitsgericht (ArbG München v. 21.04.2015, Az.: 3 Ca 14163/14) als auch das Landesarbeitsgericht (LAG München v. 29.10.2015, Az.: 4 Sa 527/15) wie schließlich auch das BAG am Mittwoch. Es sei unschädlich, dass die Verträge nicht ausdrücklich als befristet bezeichnet waren, so die Erfurter Richter. Durch die Verwendung des Wortes "Vertragszeit" und die Benennung konkreter Folgen sei eindeutig gewesen, dass kein dauerhafter Einsatz erfolgen sollte. Die Rundfunk- und Kunstfreiheit erlaubten daher zeitlich befristete Verträge für den Einsatz von Schauspielern dem Grunde nach. Es handele sich hierbei um eine besondere Art der Arbeitsleistung, die nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG zulässigerweise befristet erfolgen dürfe.
In der Filmbranche müsse einem Produzenten zudem die Freiheit zukommen, die künstlerische Ausgestaltung der Produktion autonom zu handhaben. Die Gestaltung des Drehbuchs einschließlich Handlung, agierenden Personen und deren Entwicklung sowie Kontinuität oder auch eine etwaige Neubesetzung von Rollen, die Auswahl der Schauspieler, Regie etc. seien damit Bereiche, die dem grundgesetzlichen Schutz unterfielen.
Auch kommt nach Auffassung des Gerichts eine Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG zusätzlich in Betracht, da der betriebliche Bedarf an den Leistungen des Klägers nur vorübergehend bestanden habe. Die beklagte Firma habe schließlich vom ZDF jeweils nur isoliert Aufträge für einzelne Folgen erhalten und nach Abproduktion einer Folge auf die Beauftragung mit der nächsten Folge warten müssen. Diese grundgesetzlichen Erwägungen seien auch dem Argument einer unzulässigen Kettenbefristung entgegenzusetzen.
Drehbuch geht auch dem Bestandsschutzinteresse vor
Das damit grundsätzlich anerkennenswerte Interesse des Produktionsunternehmens müsse allerdings im Einzelfall mit dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers abgewogen werden. Auch künstlerisch tätige Arbeitnehmer müssten einen Mindestbestandschutz genießen, so das BAG. Das erfordere bereits das ebenfalls verfassungsrechtlich gem. Art. 12 Abs. 1 geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass Sanoussi-Bliss rund 18 Jahre aufgrund verschiedener Verträge tätig gewesen sei. Dessen beruflicher und wirtschaftlicher beziehungsweise finanzieller Schwerpunkt im "produktiven Lebensabschnitt" habe daher andere Engagements zeitlich eingeschränkt, auch wenn solche dem Grunde nach für den Kläger zulässig waren.
Doch auch bei dieser Abwägung überwiege im Ergebnis das dramaturgische Interesse der Produktionsfirma. Diese müsse in der Lage sein, eine jahrzehntelang laufende Serienproduktion wie "Der Alte" inhaltlich verändern und beispielsweise die Darstellercrew "verjüngen" zu können. Die Rücksicht auf Bestandsschutzinteressen von Schauspielern würde daher sofort und unmittelbar in die verfassungsrechtlich geschützte Rundfunk- und künstlerische Gestaltungsfreiheit eingreifen.
Der Rechtsstreit ging damit für den klagenden Schauspieler auch letztinstanzlich vor dem BAG so aus, wie vom LAG München (a.a.O.) in weiser Vorahnung prognostiziert: Der Kläger habe schließlich von vornherein wissen müssen, dass die Entwicklung seiner langjährig "verkörperten Rolle des 'Kommissars Richter' in diesem Kommissarteam nicht zwangsläufig von Dauer sein musste, er als Schauspieler in einer Kommissarrolle einer Krimiserienproduktion nicht zwingend auch die Lebenszeitbeamtenstelle erhalten/behalten würde, die ein Kommissar im realen Leben, wenngleich selbst hier nicht zwangsläufig auf Dauer, persönlich innehat […]." Kleines Trostpflaster mag vielleicht sein, dass ein Fernsehkommissar während seiner aktiven Zeit regelmäßig auch höher vergütet wird.
Der Autor Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Professor für Arbeitsrecht und Studiendekan Wirtschaftsrecht und Human Resources Management an der Hochschule Fresenius in Hamburg sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Römermann Rechtsanwälte AG.
Michael Fuhlrott, Krimiserie "Der Alte" vor dem BAG: . In: Legal Tribune Online, 31.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24221 (abgerufen am: 23.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag