Sachstand im Asyl- und Ausländerrecht: Schär­fere Gesetze bringen nicht mehr Abschie­bungen

von Tanja Podolski

14.01.2016

2/4:  Forderungen nach Verschärfung sind überzogen

Entsprechend reagieren Richterbund und DAV auf die aktuellen Vorstöße: "Die meisten der jetzt erhobenen Forderungen nach schärferen Gesetzen sind überzogen", sagt Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds und Oberstaatsanwalt in Freiburg. "Die notwendigen Gesetze sind da, sie werden auch in den allermeisten Fällen richtig angewandt. Wer jetzt pauschal nach härteren Strafen ruft, verkennt ein wichtiges Prinzip in unserem Rechtsstaat: Es gibt keinen Steuerungsmechanismus für besonders harte Urteile. Jeder Täter bekommt seine individuelle Strafe. Diese Strafe hat in den allermeisten Fällen auch ihre beabsichtigte Wirkung. Ich kann nicht erkennen, dass das Pauschalurteil, Zuwanderer hätten keinen Respekt vor der deutschen Justiz, zutrifft."

Es dürfe keinen Wettbewerb um die härtesten Gesetzesverschärfungen geben, sagt auch DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Beinahe täglich kämen neue Ideen, wie weit die Voraussetzungen für die Aberkennung des Aufenthaltsrechts von Asylbewerbern bei einer rechtskräftigen Verurteilung abgesenkt werden können. Vorschläge zur verschärften Videoüberwachung und verdachtsunabhängigen Personenkontrolle verdeutlichen, dass die Politik keinen kühlen Kopf behalte. "Dieser ist in der jetzigen Situation aber dringend angebracht", so Schellenberg.

Auch Asylrechtler Kliebe hält die nun getroffene Einigung für "überflüssig". "Das aktuelle Ausweisungsrecht ermöglicht generell eine Ausweisung und ist frisch geändert. Jetzt muss es erst mal angewendet werden – wie kann ich eine Bewertung vornehmen, wenn das Recht gerade 14 Tage in Kraft ist", fragt er.

Abschiebeverbote verhindern die Abschiebung

Zudem stelle sich ein ganz anderes Problem. Die Ausweisung begründe nämlich lediglich die Ausreisepflicht – damit sei die Ausreise aber nicht umgesetzt. Es gebe Abschiebehindernisse – etwa weil Menschen keine Papiere erhalten können, selbst wenn sie sich bemühen. Und andere, die sich gar nicht bemühen. Daher sei die Abschiebung in der Praxis oft nicht möglich.

Neben den rechtlichen und tatsächlichen Abschiebehindernissen, die eine Duldung begründen, gibt es Abschiebeverbote. Letztere sind bereits im Asylverfahren zu prüfen: "Selbst straffällig gewordene Menschen, die als Flüchtlinge ins Land gekommen waren, können nicht abgeschoben werden, wenn nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) für sie ein Abschiebeverbot besteht", sagt Kliebe. So könne etwa Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einer Abschiebung entgegenstehen. Das sei dann der Fall, wenn dem Ausländer in dem Zielland etwa Folter, menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung drohen. "Man kann doch einen Taschendieb nicht abschieben, dem in seinem Heimatland die Folter droht", so Kliebe. Diese Menschen könnten sich in Deutschland jedoch nicht mehr auf die Flüchtlingseigenschaft mit ihren diversen Vorteilen berufen. Ihnen droht - je nach Stand der Verfahrens - die Nicht-Gewährung oder der Widerruf des  Aufenthaltstitels.

Sie sind dann weder Asylbewerber noch können sie als Asylberechtigte anerkannt bzw. ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden. "Auch dies ist bereits geltendes Recht", so Kliebe. Mit dem Verlust des Aufenthaltstitels und dem neuen Status als "Geduldetem" könne dann etwa eine Wohnsitzauflage und eine räumliche Beschränkung der Bewegungsfreiheit einher gehen, die Menschen bleiben also schon jetzt unter der Kontrolle der Ausländerbehörden. "Und, das als Randnotiz, dies betrifft nicht nur die Straftäter, sondern auch ihre Angehörigen und Kinder, die zwar eine Schulpflicht haben, aber wenn sie nur geduldet sind, schon Schwierigkeiten haben, an schulischen Ausflügen teilzunehmen."

In der Subsumption: Sollten es also tatsächlich Flüchtlinge gewesen sein, die in der Silvesternacht in Köln Verbrechen wie sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Raub oder Freiheitsberaubung begangen haben und deshalb verurteilt werden, käme eine Ausweisung in Frage. Das wird aber noch lange nicht dazu führen, dass diese Menschen Deutschland verlassen müssen: Sie werden oftmals nicht abgeschoben werden können. Daran werde auch eine Verschärfung des Asyl- oder Ausländerrechts nichts ändern, sagt Kliebe, "es sei denn, Deutschland will sich gegen die Menschen- und Grundrechte stellen und Abschiebungen in Länder vornehmen, in denen etwa Folter drohe – das würde aber der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen." Ebenso wenig können in derartigen Fällen daher Menschen abgeschoben werden, die zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Ausweisung ja, Abschiebung nein. Daran ändert auch die Einigung zwischen Justiz- und Innenministerium nichts.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Sachstand im Asyl- und Ausländerrecht: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18144 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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