2/2: Höhere Rendite durch Risikoübernahmen
Die Privatisierung und die höhere Verzinsung des privaten Kapitals sollen darauf beruhen, dass sich Banken und Versicherungen am Risiko der BFG beteiligen. Das wäre richtig, wenn es stimmen würde. Selbstverständlich ist ein Unternehmerwagnis zu verzinsen. Aber bisher ist nirgends erklärt, wie Versicherungen dies mit ihrer Pflicht zur sicheren Geldanlage verbinden könnten. Und bei allen öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP)-, Forfaitierungsmodellen, also dem Forderungsankauf unter Verzicht auf den Rückgriff gegen den Verkäufer bei Zahlungsausfall, und Privatisierungen gehen die Finanzierer grundsätzlich keine Risiken ein. Sie verleihen Geld - mal als Darlehen, mal als Forderungskauf, mal über Schuldscheine - und sie wollen dieses Geld vom Bund, Ländern oder Kommunen garantiert und verzinst zurück haben. Deshalb sehen diese Modelle immer Kapitalgarantien, Einredeverzichte oder ähnliche Sicherheiten der öffentlichen Hand vor.
All dies spricht dafür, die günstigste Finanzierung schlicht im Wettbewerb zu ermitteln, am besten unter Einbindung der Förderbanken und der Europäischen Investitionsbank. Alle anderen Finanzierungsformen über Beteiligungen sind deutlich teurer. Sie verteuern das Projekt nach allen Erfahrungen um mindestens zwei Prozentpunkte pro Jahr.
Beteiligung privater Investoren
Nach dem bisher bekannten Vorschlag sollen bis zu 49,9 Prozent der Anteile der BFG an private Partner veräußert werden. Minister Schäuble hat dies mit den erfolgreichen Privatisierungen der Post und der Telekom in den neunziger Jahren begründet. Dieser Weg setzt voraus, Art. 90 GG entsprechend zu ändern. Dort ist derzeit noch vorgesehen, dass der Bund die Autobahnen gemeinsam mit den Ländern verwaltet.
Unklar ist noch, ob die Anteile nur an Finanzinstitute wie Banken und Versicherungen verkauft werden sollen, die dann den Neu- und Ausbau der Autobahnen mit Eigenkapital finanzieren, oder ob - auch - Bauunternehmen beteiligt werden sollen. Wie auch immer - die Beteiligungen werden rechtssicher nur im Wettbewerb vergeben werden können. Und dieser Wettbewerb wird sich nicht auf deutsche Investoren beschränken dürfen. Wie immer, wenn der Staat bedeutende Vermögenswerte an den Markt gibt, ist nach europäischem Primär- und Beihilferecht ein europaweiter Wettbewerb erforderlich, der Transparenz und Gleichbehandlung sicherstellt. Wie die Vorteile trotzdem ausschließlich den deutschen Versicherungen zugutekommen sollen, bleibt offen.
Keine Absenkung der Staatsverschuldung
Die Befürworter der Autobahnprivatisierung hoffen, den Sanierungsstau aufzulösen. Das kann gelingen, hängt aber nicht von der Privatisierung ab und erfordert keine marktüblichen Renditen für Banken und Versicherungen.
Denn ein Sanierungsstau wird aufgelöst, indem man schnell viel saniert. Logisch. Diese Sanierungswelle muss bezahlt werden. Dazu muss sich der Staat Geld leihen. Diese Darlehen sollte er so günstig wie möglich am Markt aufnehmen. Für die Sanierung selbst wäre eine effiziente Straßenbauverwaltung sinnvoll, die zügig plant und Bauleistungen im Wettbewerb vergibt.
Manche unterstellen, die Ausgründung der Autobahngesellschaft solle über einen Schattenhaushalt die offizielle Staatsverschuldung nach den Maastricht-Kriterien und den Anforderungen der Schuldenbremse senken. Das ist mehr als zweifelhaft. Denn entweder wird die BFG mehrheitlich staatlich beherrscht und finanziert – dann sind ihre Kredite den Staatsschulden zuzurechnen. Oder sie wird zu mehr als 50 Prozent privatisiert – dann droht nicht nur das politische Aus, dann könnten sie vergaberechtlich auch nicht mehr ohne Wettbewerb Bauaufträge erhalten.
Vorbild im Kreis Lippe
Über die Privatisierung der Autobahnen berichten alle Medien, die Parteien streiten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat gegen die dafür nötige und geplante Grundgesetzänderung einen Vorbehalt eingelegt und sich vorbehalten, in der Ressortabstimmung weitere Stellungnahmen abzugeben. Die Grünen, allen voran der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, lehnen die Bundesfernstraßengesellschaft ab. Kanzleramtsminister Altmaier spricht mit den Staatskanzleien der Länder, die er braucht, um das Grundgesetz zu ändern. Das Kabinett soll am 8. Dezember über die Zukunft der Autobahnen beraten.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass in dieser Legislaturperiode alle hier nur angedeuteten Probleme gelöst werden. Eigentlich ist das auch gar nicht nötig. Besser wäre eine effiziente Straßenbauverwaltung, die endlich nicht mehr Sanierungsaufträge nach Kassenlage vergibt, sondern die Straßen über langfristige Verträge dauerhaft instand hält. Die Wettbewerbe sind so zu gestalten, dass die Gesamtwirtschaftlichkeit entscheidet – also die Summe aus Planungs-, Bau-, Betriebs- und Finanzierungskosten. Dafür gibt es reichlich Vorbilder, - beim Projekt Kreis Kreisstraßen in Lippe wird das seit Jahren erfolgreich praktiziert.
Dr. Ute Jasper ist Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und leitet dort das Dezernat "Öffentlicher Sektor und Vergabe". Ihr Spezialgebiet sind Vergabe- und Infrastrukturprojekte der öffentlichen Hand. Sie berät Bundes- und Landesministerien, Kommunen und Unternehmen.
Privatisierung der Bundesautobahnen: . In: Legal Tribune Online, 25.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21258 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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