2/2: Teilweise Bejahung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Für einen Vertrag der Rüstungsindustrie hingegen haben die Karlsruher Richter einen Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen. Hier wollte ein Unternehmer einen Anspruch auf Werklohn und hilfsweise Aufwendungsersatz geltend machen aus einem Vertrag, der einst mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR (auf die BRD übergegangen) geschlossen worden war. Der BGH urteilte, dass die Geschäftsgrundlage des im Jahr 1985 geschlossenen Vertrages weggefallen sei, weil keine Partei den vollständigen Wegfall des Bedarfs habe vorhersehen können, den der wirtschaftliche Niedergang der DDR und ihr Untergang durch den Beitritt zur BRD bringen würde (Urt. v. 18.12.1997, Az. X ZR 35/95).
Interessant ist auch eine Entscheidung zum Urheberrecht (Urt. v. 04.07.1996, Az. I ZR 101/94 – "Klimbim"), in welcher der BGH von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausging. In diesem Fall stellte sich die Frage, ob einmal eingeräumte Lizenzen zur Sendung einer Serie in der Bundesrepublik vor der Wende auch für eine Ausstrahlung in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung galten.
Dies sei von den Vertragsparteien nicht vorgesehen gewesen, so der für das Urheberrecht zuständige 1. Zivilsenat. Insbesondere bedürfe es zudem einer Erweiterung der Nutzungsrechte durch den Urheber selbst, der jedoch nicht Vertragspartei war. Somit hätte die lizenzvergebende Partei des Vertrages gar keine weitergehenden Rechte einräumen können, da sie selbst nur die Rechte beschränkt auf die ursprünglichen elf Bundesländer inne hatte beziehungsweise hat. Damit habe sich hierauf bezogen die Vertragsgrundlage schwerwiegend verändert und der lizenzvergebenden Partei könnten die daraus erwachenden Umstände nicht zugemutet werden.
Störung der Geschäftsgrundlage und Brexit
Auch in Bezug auf den Brexit werden die deutschen Gerichte sich wieder mit der Frage nach der Geschäftsgrundlage befassen müssen. Der damalige richterrechtlich gebildete Rechtsgrundsatz des Wegfalls des Geschäftsgrundlage hat im Jahre 2002 mit der Schuldrechtsreform als "Störung der Geschäftsgrundlage" Eingang in das geschriebene Gesetzesrecht gefunden. Auch hier gilt, dass die Störung der Geschäftsgrundlage als Antwort auf vertragliche Probleme als Ultima Ratio gedacht ist und nur Anwendung finden soll, sofern keine anderen Lösungen im Vertrag oder durch Auslegung gefunden werden.
Ihre Anwendung kann zu einem gravierenden Einschnitt in die Geschäftstätigkeit der einzelnen Unternehmen führen. In dem oben genannten Rüstungsvertrag musste die Klägerin beispielsweise auf Aufwendungsersatz in Millionenhöhe verzichten.
Im Fall des Brexit wird die Frage des Ob und Wie bei betroffenen Verträgen jedoch nur dann von deutschen Gerichten auf Grundlage deutscher Gesetze und Regelungen beantwortet werden, wenn deutsches Recht und ein deutscher Gerichtsstand vertraglich vereinbart wurden oder von Gesetzes wegen anzuwenden und anzurufen sind. Sonst ist der Vertrag nach dem jeweiligen Recht des Landes zu beantworten, nach dem er sich richtet.
Klauseln für den Brexit
Deutsche Unternehmen sollten daher die bestehenden Geschäftsbeziehungen mit britischen Unternehmen auf nötige Anpassungen, Störung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie auf weitere Auswirkungen überprüfen lassen. Auch eventuelle negative Wirkungen von Zöllen auf Vertragsverhältnisse und wirtschaftliche Handlungen sollten im Hinblick auf den Einfluss britischer regulatorischer Vorgaben auf bestehende Verträge geklärt werden.
Der Zugang exportierender deutscher Unternehmen zum britischen Markt könnte nach dem Brexit durch komplexe und umfassende neue britische Gesetze erschwert werden. Dementsprechend ist es ratsam, in neu abzuschließende Verträge sogenannte Brexit-Klauseln einzubauen, um einem bösen Erwachen vorzubeugen.
Der Autor Dr. Alexander Niethammer, LL.M. (UConn) ist Partner bei Eversheds in München. Dort leitet er die Praxisgruppe Company Commercial. Er vertritt internationale Unternehmen im gesamten Wirtschaftsrecht, insbesondere im Vertragsrecht.
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