2/2: Haftung der Obergesellschaften bleibt ungeregelt
Unklar bleibt mit der 9. GWB-Novelle, ob Geschädigte auch gegenüber den Konzernobergesellschaften Kartellschadensersatzansprüche durchsetzen können – dies wurden nicht geregelt. Wohl aber die Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern gegenüber den Konzernmüttern.
Entsprechend ist bereits unter Praktikern eine intensive Diskussion darüber entbrannt, ob ein Durchgriff auf die Konzernmutter auch für die zivilrechtliche Haftung gilt. Hierdurch würde die Haftungsmasse zugunsten der Geschädigten erheblich erweitert werden. Letztlich wird aber – mangels gesetzlicher Regelung – die Konzernhaftung beim Kartellschadensersatz durch die Gerichte geklärt werden müssen.
Andere Länder, andere Regelungen für Verbraucher
Klar hingegen ist, dass sich auch mit der Neuregelung für Verbraucher nichts ändert. Immer wieder wird zwar die Frage diskutiert, wie der einzelne Verbraucher selbst Schäden geltend machen kann – denn schließlich sind in den vergangenen Jahren in so ziemlich allen Lebensbereichen Kartelle aufgedeckt worden.
Doch der Vorschlag des Bundesrats, Musterklagen für Verbraucherschutzverbände bei Kartellrechtsverstößen zu ermöglichen, konnte sich nicht durchsetzen. Daher wird es sich auch künftig für Verbraucher nicht lohnen, Preisüberhöhungen vor Gericht einzuklagen: Der Aufwand für den Schadensnachweis ist angesichts der Schadenssumme jedes Betroffenen zu hoch.
Andere Länder haben diese Thematik anders gelöst: Im Vereinigten Königreich führte der Consumer Rights Act zum 01. Oktober 2015 für Kartellschäden eine Sammelklage US-amerikanischer Provenienz ein. Wird eine geschädigte (Verbraucher-) Klasse zugelassen, ist jeder Verbraucher mit Wohnsitz im Inselreich, der die Merkmale erfüllt, vom Klageverfahren erfasst, es sei denn, er spricht sich dagegen aus ("opt out"). Erste derartige Sammelklagen liegen beim zuständigen Competition Appeal Tribunal vor – eine davon wird auf überhöhte Bankgebühren bei Zahlung mit Kreditkarten gestützt und richtet sich auf Schadensersatz in Höhe von 14 Milliarden Pfund.
Diese Sammelklagen haben Kartellbeteiligte in Deutschland nicht zu befürchten. Doch gerade die neuartigen Auskunftsansprüche werden betroffene Unternehmen, Richter und Rechtsanwälte vor unbekannte Herausforderungen stellen. Die ersten Discovery-Klagen deutschen Rechts werden vermutlich nicht lange auf sich warten lassen.
Der Autor Dr. Kim Lars Mehrbrey ist Partner im Düsseldorfer Büro von Hogan Lovells und auf Streitigkeiten in Kartellschadensersatzfällen sowie im Gesellschaftsrecht spezialisiert.
9. GWB-Novelle in der Praxis: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22659 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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