Immer mehr Menschen fahren mit E-Bikes. Während manche Radler schon mit der Normalgeschwindigkeit überfordert sind, funktionieren andere ihren Drahtesel mit "Tuning-Kits" zu noch flotteren Rennern um. Die Risiken beleuchtet Tim Jülicher.
Am 3. Juni ist Weltfahrradtag. Und tatsächlich gibt es allen Grund zu feiern, denn seit einigen Jahren erlebt das Fahrrad einen regelrechten Boom. Dabei hat der Drahtesel seinen aktuellen Erfolg vor allem den sogenannten E-Bikes zu verdanken. Über dreieinhalb Millionen solcher elektromotorisierten Zweiräder rollen mittlerweile über Deutschlands Straßen.
E-Bikes versprechen nicht nur mehr Mobilität, sondern auch sportliche Betätigung und saubere Luft in deutschen Städten. Dabei ist das Prinzip denkbar einfach: Je kräftiger der Radler strampelt, umso mehr Unterstützung liefert der Elektromotor (sogenanntes Pedelec). Daneben gibt es auch noch Modelle, die über einen Drehschalter ("Daumengas") verfügen und sich so – ganz ohne Muskelkraft – auf bis zu 25 km/h oder mehr beschleunigen lassen.
Doch einer zunehmenden Zahl von Radlern reicht das nicht: Mithilfe von "Tuning-Kits" aus dem Internet rüsten sie die – ohnehin schon zügigen – Elektroräder zu noch flotteren Gefährten auf. Damit begeben sie sich nicht nur in Sachen Verkehrssicherheit, sondern auch in rechtlicher Hinsicht auf dünnes Eis.
Fahrrad oder Kraftfahrzeug?
Straßenverkehrsrechtlich unterscheidet sich das Fahrrad vom Kraftfahrzeug dadurch, dass es ausschließlich durch Muskelkraft angetrieben wird. Für elektromotorisierte Fahrräder gilt dies gerade nicht. Ob es sich bei ihnen aber um Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) handelt, hängt in erster Linie von der erzielbaren Höchstgeschwindigkeit ab.
Wenn sie nicht schneller als 25 km/h fahren, durch Muskelkraft fortbewegt werden und über einen elektromotorischen Hilfsantrieb von höchstens 250 Watt Leistung verfügen, sind sie nach § 1 Abs. 3 StVG wie Fahrräder zu behandeln. Streng genommen gilt diese Fiktion also nur für die tretabhängigen Modelle, die sogenannten Pedelecs.
Modelle, die ohne Muskelkraft rollen und mittels Motor eine höhere Geschwindigkeit – meist bis zu 45 km/h – erreichen, sind regelmäßig als Klein- oder Leichtkrafträder zu qualifizieren. Diese E-Bikes im unspezifischen Sinne unterliegen somit der Versicherungspflicht und bedürfen einer Betriebserlaubnis.
Heikles Tuning mit Bausätzen aus dem Internet
Wer nun seine vermeintlich "lahme Mühle" frisieren will, wird im Internet schnell fündig: Diverse Onlineshops bieten Bausätze an, mit denen Bastler ihr Rad um praktische Zusatzfunktionen, etwa zum Fitnesstracking, erweitern können. Viele Module erlauben es zudem, die elektronisch gedrosselte Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h mit wenigen Handgriffen aufzuheben. Damit sind etwaige Garantieansprüche freilich passé.
Viel heikler ist jedoch, dass getunte Drahtesel konstruktionsbedingt gar nicht auf Highspeed-Fahrten ausgelegt sind. Ernsthafte Gefahren drohen vor allem in Bezug auf Reifen, Bremsen und Gabeln. Letztlich erhöht der Umbau nicht nur den Materialverschleiß, sondern kann zu lebensgefährlichen Unfällen führen.
So betont das OLG Hamm (Beschl. v. 28.2.2013, Az. 4 RBs 47/13) zutreffend, dass von Kraftfahrzeugen wegen der Geschwindigkeit nicht nur "eine höhere Gefährlichkeit ausgeht als von einem bloß pedalbetriebenen Fahrrad", sondern auch, dass sie insgesamt "höhere Leistungsanforderungen an den Fahrer" stellen. Dies gilt umso mehr, wenn das Fahrrad schon gar nicht für Highspeed-Fahrten konstruiert wurde.
Tuning kann zu verschärfter Haftung führen
Weiterhin hat die Einordnung als Fahrrad oder Kraftfahrzeug auch haftungsrechtliche Konsequenzen: Während Fahrräder – und ihnen gleichgestellte Pedelecs – den allgemeinen Haftungsregeln der §§ 823 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unterfallen, gilt für Kraftfahrzeuge und schnelle E-Bikes die besondere Gefährdungshaftung des § 7 StVG. Dies kann bei einem Unfall zu einer dramatischen Haftungsverschärfung führen – auf einen Nachweis des Verschuldens kommt es in diesem Fall nämlich nicht mehr an.
Auch muss sich der Fahrer im Rahmen einer Haftungsabwägung die allgemeine Betriebsgefahr seines Gefährts anrechnen lassen. Denn anders als bei Fahrrädern und Pedelecs, für die der allgemeine Maßstab der §§ 9 StVG, 254 BGB gilt (LG Saarbrücken, Urt. v. 15.11.2013, Az. 13 S 107/13), kommt bei Kraftfahrzeugen § 17 StVG zum Tragen.
Hinreichend (pflicht-)versichert dürften die selbst frisierten E-Bikes ohnehin nicht sein. Zudem werden die meisten Haftpflichtversicherer bei Anzeichen für ein eigenhändiges Tuning jede Schadensregulierung ablehnen, so dass der Bastler auf sämtlichen Unfallkosten sitzen bleibt.
Radweg oder Straße?
Auch ob mit einem getunten Elektrorad noch auf dem Radweg gefahren werden darf, hängt von der erreichbaren Geschwindigkeit ab. Grundsätzlich darf der Radweg nur von Fahrrädern genutzt werden. Er muss von ihnen befahren werden, wo Schilder eine Benutzungspflicht anordnen, § 2 Abs. 4 S. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO). Allen anderen Verkehrsteilnehmern ist die Radwegnutzung untersagt.
Praktisch bedeutet dies, dass nur konventionelle Fahrräder und langsame Pedelecs den Radweg befahren dürfen – E-Bikes und frisierte Elektroräder hingegen nicht. Nur außerorts dürfen sie ausnahmsweise auf den Radweg ausweichen, § 2 Abs. 4 S. 6 StVO.
Dass getunte E-Bikes innerorts weder auf dem Radweg noch auf dem Gehweg fahren dürfen, ist aus Gründen der Verkehrsentmischung und Unfallverhütung sachgerecht. Denn andere Verkehrsteilnehmer – vor allem Fußgänger – rechnen schlichtweg nicht mit überschnellen Drahteseln, zumal sie nicht auf Anhieb von normalen Modellen zu unterscheiden sind.
Saftige Strafen für rasante Radler
Auch mit Blick auf mögliche Sanktionen kann die Fahrt mit dem getunten E-Bike zu einem teuren Spaß werden. Wird das Rad nämlich durch nachträgliche Modifikationen zum Kraftfahrzeug, unterfällt es der Fahrerlaubnispflicht.
Radler ohne gültige Fahrerlaubnis riskieren also, sich nach § 21 Abs. 1 StVG strafbar zu machen. Dies gilt vor allem für minderjährige Verkehrsteilnehmer, aber auch nach einer gerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung oder einem Fahrverbot gemäß §§ 69, 44 Strafgesetzbuch (StGB).
Besonders kritisch wird es bei Trunkenheitsfahrten (§§ 316, 315c StGB), denn hier kommen bekanntlich unterschiedliche Grenzwerte zum Tragen. Während die absolute Fahruntüchtigkeit von Rad- und Pedelecfahrern erst ab einer BAK von 1,6 Promille unwiderleglich vermutet wird, gilt für Führer von Kraftfahrzeugen und getunten E-Bikes ein deutlich strengerer Grenzwert von 1,1 Promille.
Keine Grauzone, sondern ernstzunehmende Risiken
Wer sein Elektrorad aufmotzt, bewegt sich also keineswegs in einer rechtlichen Grauzone, sondern setzt sich erheblichen Risiken aus. Es drohen nicht nur der Verlust etwaiger Garantieansprüche und eine verschärfte Haftung, sondern auch empfindliche Bußgelder und Strafen bis hin zur Entziehung der Fahrerlaubnis.
Zwar sind getunte Räder im Straßenverkehr bislang kaum zu erkennen, doch dürfte der Manipulationsnachweis im Ernstfall – vor allem bei einer konkreten Unfallbeteiligung – keinerlei Schwierigkeiten bereiten.
Das Fremd- und Eigenverletzungspotential frisierter E-Bikes ist jedenfalls enorm. Deshalb sollte auch der unvernünftigste Bastler einen Helm tragen. Das ist zwar auch gesetzlich vorgeschrieben (§ 21a Abs. 2 StVO), sollte aber schon im eigenen Interesse geboten sein.
Der Autor Dr. Tim Jülicher ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Düsseldorf und als ehemaliger Wahlmünsteraner begeisterter (Renn-)Radfahrer.
Weltfahrradtag: . In: Legal Tribune Online, 02.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28915 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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