Amerika: Anerkennung von Affen als "Person": Trick­serei um die Evo­lu­ti­ons­the­orie

von Martin Rath

05.06.2016

2/2: Bemerkenswerter Nebenkriegsschauplatz

Die philosophische Diskussion darüber, ob Tiere als Person gelten können oder sollten, kann an dieser Stelle nicht aufbereitet werden.

In Deutschland wird sie gern erbittert, aber wenig offen geführt. Dem australischen Ethiker Peter Singer beispielsweise, der die Schranke zwischen Tier und Mensch als "Speziesismus" – eine Art Gattungsrassismus des Menschen – sieht, wird im Muff der deutschen Universitäten gleich ganz der Mund verboten.

Aller Hirngespinste um political correctness zum Trotz läuft die Diskussion in den USA augenscheinlich offener. Richard L. Cupp, Juraprofessor an einer kleinen kalifornischen Universität, die ausgerechnet in der Trägerschaft einer sehr bibeltreuen christlichen Strömung steht, argumentiert beispielsweise sehr sachte, dass eine Anerkennung von Tieren als Person – jedenfalls auf längere Sicht – zulasten von Menschen gehen könnte, die ebenfalls keine Pflichten tragen könnten, namentlich von Kindern und geistig Behinderten.

Cupp verdankt sich der Hinweis auf einen Amicus-curiae-Brief, den sein – nach US-Begriffen – liberaler Kollege Laurence H. Tribe, Professor an der um Längen renommierteren Harvard Law School und akademischer Lehrer zahlreicher US-Spitzenpolitiker und -juristen, in der Sache der New Yorker Affenprozesse verfasst hatte. In den USA sind Christenmenschen und "Linke" im Gespräch, wo hierzulande schweigende Ödnis herrscht.

Tribe empört sich darüber, dass sich die New Yorker Gerichte geweigert hatten, eine Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung der Schimpansen einzutreten, mit dem Argument, diese seien keine Person. Der liberale Harvard-Professor weist darauf hin, dass selbst zu Zeiten, als in New York die Sklaverei noch geltendes Recht war, Sklaven vor Gericht die Rechtmäßigkeit ihrer Unfreiheit hätten prüfen lassen können.

Die Frage nach dem Status des Schimpansen als Person hätte demnach in der Habeas-Corpus-Anhörung geprüft, nicht von vornherein verneint werden dürfen.

"Da Könnte ja jeder kommen!" – die Dammbruchargumentation

Martin Wolff (1872–1953), einem der bedeutendsten Zivilrechtslehrer seiner Zeit, wird die Bemerkung zugeschrieben, dass es eigentlich nur zwei juristische Argumente gebe: "Das wäre ja noch schöner!" und "Da könnte ja jeder kommen!"

In den New Yorker Affenprozessen geht es nicht, wie man meinen könnte, allein darum, dass herzensgute Menschen Bruder Bonobo und Schwester Gorilla zu Rechtsgenossen erheben möchten. Im Fall von Professor Tribe keimt insbesondere der Verdacht, dass er dem Wolff’schen "Da könnte ja jeder kommen!" das empörte Ausrufungszeichen nehmen möchte.

Denn der liberale Harvardprofessor vertritt anderweitig milliardenschwere Unternehmen, die nach Kräften in den Grundrechtsschutz der US-Verfassung kommen möchten, auch von Rechten, die man traditionell eher beim biologisch definierten Menschen sieht – ähnlich der Erstreckung von Grundrechten auf inländische juristische Personen nach Artikel 19 Absatz 3 Grundgesetz, mit der sich ja viel Schindluder treiben lässt.

Flussgötter könnten Grundrechtsschutz genießen

In den USA ist derlei sonst eher Sache der politischen Rechten, und war zuletzt ein Skandal, als dort gesetzliche Beschränkungen der Wahlkampfeingriffe seitens juristischer Personen für verfassungswidrig erklärt wurden. Mit Affen macht man dagegen die Erweiterung potenzieller Rechtsgenossenschaften heute auch politisch eher linksorientierten Menschen schmackhaft. Wer nicht jeden und alles vor Gericht sehen möchte, gilt da schnell als borniert.

Heute mag das Folgende als schwacher Kalauer durchgehen. Kommt ein Anwalt zum Gericht und sagt: "Ich vertrete im Namen neuheidnischer Engländer die Flussgötter Londons, die sich durch die Kanalisation in ihren Rechten verletzt sehen. Ich ersuche um eine Anhörung nach Habeas-Corpus-Grundsätzen."

Aber ist das wirklich ein schwacher Kalauer? Im Jahr 2012 wurde ein Fluss namens Whananui durch Vereinbarung zwischen Vertretern der Maori und der neuseeländischen Krone als eigene juristische Entität anerkannt. Ein Minister wird mit den Worten zitiert, der Fluss werde damit zu einer Person und zwar in der gleichen Art, wie es bei einem Unternehmen der Fall ist, dem Rechte und Interessen gegeben sind."

Wie kann also einem Schimpansen verweigert werden, was einer heidnischen Maori-Flussgottheit oder einer US-Firma zugebilligt wird?

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Amerika: Anerkennung von Affen als "Person": . In: Legal Tribune Online, 05.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19551 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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