2/2: Himmelfahrtsrecht statt Luftverkehrsrecht
Bei der Frage, warum im doch sonst so romantisch beschlagenen Deutschland das Rechtsgebiet heute schnöde "Luftfahrt-" oder "Luftverkehrsrecht" heißt, wo doch ein "Himmelfahrtsrecht" viel schöner und ein "Luftrecht" dogmatisch viel anspruchsvoller hätte sein können, können wir uns den Antworten nur annähern.
Dagegen, das neue Rechtsgebiet als "Himmelfahrtsrecht" zu bezeichnen, dürfte der Umstand gesprochen haben, dass der Luftverkehr in Deutschland sein wichtigstes Zentrum am Mittelpunkt der Zivilisation ausbildete: In der durchaus nüchternen Studie "Lebensfragen der deutschen Luftfahrt" der Ingenieure und TH-Professoren Otto Blum und Carl Pirath (1928) wird das "Kulturzentrum Westeuropa" zutreffend in 500-, 1.000- und 1.500-Kilometer-Kreisen rund um die Stadt Köln gezirkelt (siehe Abbildung zu diesem Artikel).
In diesem rheinländischen Zentrum nicht nur der Kultur, sondern auch der deutschen Luftfahrt, wohnten seinerzeit viele Menschen, die mit "Himmelfahrt" christlich-theologisch noch etwas anzufangen wussten. Hier wäre der Begriff "Himmelfahrtsrecht" damals wohl auf Verständnisprobleme gestoßen und mit katholischen Übungen im Zusammenhang der beiden Himmelfahrtsfeiertage verbunden worden.
Was ist jetzt mit dem Luftrecht?
Beim Begriff "Luftrecht", der in den 1910er und 1920er Jahren durchaus in Gebrauch war, sind wir weniger auf Spekulation angewiesen: Durch völkerrechtliche Vereinbarungen wurde seinerzeit klargestellt, dass der Raum oberhalb ihrer jeweiligen Gebiete den souveränen Staaten hoheitlich zugewiesen sei. Damit waren Überlegungen zivilrechtlich denkender Dogmatiker zunichte gemacht, kaum dass sie publiziert waren: a) die Überlegung, dass der Luftraum ein freies Gut aller Menschen sei, an dem sich kein Besitz denken lasse, und b) die Überlegung, dass man sich hier als Rechtsdogmatiker ein feines neues Feld erschließen könnte, das die Rechtsfragen des Luftverkehrs ebenso umfassen müsste wie die Abgase eines Industriebetriebs oder die Hinderung der Luftzirkulation durch Neubauten in der Nachbarschaft, also ein Luftrecht im weitesten Sinn.
Nach diesem Konzept wäre dann ein "Fachanwalt für Luftrecht" oder ein "Lehrstuhl für Himmelfahrts- und allgemeines Luftrecht" für unzumutbaren Gülleduft vom Acker ebenso kompetent geworden wie für die Zulassungsfragen des neuesten "Strahlflugzeugs".
Dass sich solche Kompetenzbündel – also im Spektrum von Güllefragen zum Starfighter – in der Geschichte der Bundesrepublik mehr auf politischem denn auf juristischem Gebiet ausbildeten, haben wir dann wohl mit zu verdanken, dass der Begriff "Himmelfahrtskommando" zur stehenden Wendung im Soldatenversorgungsrecht wurde.
Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.
Martin Rath, Feiertag: . In: Legal Tribune Online, 25.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23023 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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