Voßkuhle zur Wahlrechtsreform: "Wenn Not am Mann ist, dann machen wir es auch selbst"

02.09.2011

Der Präsident des BVerfG, Andreas Voßkuhle, hat der Politik ein Eingreifen angedroht, falls die Parteien sich nicht auf die geforderte Wahlrechtsreform einigten. Seit zwei Monaten steht Deutschland ohne Wahlrecht da, weil die Fraktionen es nicht geschafft haben, es zu reformieren - obwohl das höchste Gericht der Politik eine Frist bis zum 30. Juni gesetzt hatte.

Voßkuhle sagte am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in Berlin, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fühle sich da nicht in einer hilflosen Situation. "Wenn Not am Mann ist, dann machen wir es auch selbst."

Das Karlsruher Gericht hatte 2008 das "negative Stimmgewicht" im Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt und eine dreijährige Frist für eine Neuregelung gesetzt. Demnach muss verhindert werden, dass eine Partei bei Bundestagswahlen mehr Mandate dadurch bekommt, dass sie in bestimmten Ländern weniger Zweitstimmen erhält.

"Wir wollen hoffen, dass das jetzt noch zu einem guten Ende alles kommt", sagte Voßkuhle mit Blick auf die Reformbemühungen. Wenn aber auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes gewählt werden solle, könne das Gericht mit einer einstweiligen Anordnung einschreiten und sagen, das es so nicht gehe. "Insofern sind wir da entspannt."

Voßkuhle sprach sich dagegen aus, die Öffentlichkeit stärker an der Wahl der Verfassungsrichter zu beteiligen. Im Gegensatz zu dem amerikanischen Verfassungsgericht sei das deutsche entpolitisiert. "Politik spielt, wenn Sie erst einmal als Richter dort sind, keineRolle", sagte er.

Fast alle Gerichtsentscheidungen seien in einem sachlichen Diskurs entwickelt worden. Wenn man aber beispielsweise eine öffentliche Befragung von Kandidaten einführe, könne sich dies ändern. Dann leide die Freiheit, die ein Richter brauche, denn diese sei niemandem verantwortlich außer dem Grundgesetz.

In Deutschland wählt der Richterwahlausschuss des Bundestages die eine Hälfte der 16 Richter des Verfassungsgerichts, die andere wird vom Bundesrat bestimmt.

dpa/ssc/LTO-Redaktion

 

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Voßkuhle zur Wahlrechtsreform: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4193 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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