Verbindliche Architektenhonorare gibt es nicht mehr. Bei manchen Altverträgen können Planer nach einem aktuellen BGH-Urteil aber noch Nachforderungen stellen. Was das für betroffene Häuslebauer bedeutet, ist offen.
Architekten und Ingenieure können für vor 2021 abgeschlossene Verträge Nachforderungen verlangen, wenn die vereinbarten Pauschalhonorare mit Kunden unter den damals geltenden Mindestsätzen lagen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urt. v. 02.06.2022, Az. VII ZR 174/19). Gerichte können damit die damalige Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) bei Streitigkeiten zwischen Planern und Privatleuten weiter anwenden.
Vor dem BGH war der Inhaber eines Ingenieurbüros aus Nordrhein-Westfalen erfolgreich. Er hatte eine offene Forderung von mehr als 100.000 Euro geltend gemacht und diese anhand der HOAI nachträglich berechnet. Ursprünglich vereinbart war für ein Bauvorhaben ein Pauschalhonorar von rund 55.000 Euro. Aus Sicht des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm war die Nachforderung gerechtfertigt, weil der Pauschalpreis im Ingenieurvertrag gegen den Mindestpreischarakter der HOAI als zwingendes Preisrecht verstieß. Die dagegen gerichtete Revision wies der BGH nun zurück.
Grundlage für das BGH-Urteil ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Karlsruher Richterinnen und Richter hatten die Sache dem EuGH vorgelegt. Dieser entschied Anfang des Jahres überraschend: Deutsche Gerichte können die Honorarordnung bei Streitigkeiten zwischen Privatleuten - also zum Beispiel Architekt und Häuslebauer - weiter anwenden. Die EU-Vorgaben hätten keine unmittelbare Wirkung auf Privatpersonen (horizontale Richtlinienwirkung), sondern seien eine Anweisung an einen Staat.
Gegenüber LTO äußert Dr. Katja Küpper, Rechtsanwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland: "Das Urteil des BGH überrascht nicht. Bereits im Vorlagebeschluss gab der BGH zu erkennen, dass das Preisrecht der HOAI zwischen Privatpersonen solange gelten müsse, bis der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber die europarechtswidrige HOAI aufhebt. Dies geschah erst zum 1. Januar 2021, sodass für bis dahin geschlossene Verträge das HOAI-Preisrecht weiterhin gilt."
Nur Altverträge betroffen
Das Urteil betrifft nur Altverträge. Was eine solide Hausplanung kosten darf, war viele Jahrzehnte festgeschrieben. Dann sah der EuGH die HOAI 2019 als europarechtswidrig an: Sie hindere Anbieter anderer EU-Staaten, sich in Deutschland niederzulassen, da sie nicht über den Preis konkurrieren könnten. Seit 2021 gibt es eine neue HOAI, die statt vorgeschriebenen Mindest- und Höchstsätzen nur noch Empfehlungen gibt.
Aus Sicht der Bundesingenieurkammer droht durch den Wegfall der Verbindlichkeit - wie in anderen Ländern - ein Preiskampf bis hin zum Dumping. Das könne mit Qualitätsverlust einhergehen, befürchtet Hauptgeschäftsführer Martin Falenski. Das sieht man bei der Bundesarchitektenkammer ähnlich. Deren Justiziar Volker Schnepel wies darauf hin: Honorare innerhalb der HOAI-Honorarspannen seien diejenigen, die der Gesetzgeber in jedem Fall als angemessen ansehe. "Damit soll es einen Ansatzpunkt geben, dass kein ruinöser Preiswettbewerb stattfindet."
Offen sind die Auswirkungen des Urteils auf Häuslebauer mit Altverträgen aber noch immer, zum Beispiel wenn sie als "Honorarrechtslaien" eine Unterschreitung der alten zwingenden HOAI-Mindestsätze nicht erkennen konnten. Der Verband Privater Bauherren verweist auch darauf, dass Kunden, die zu Nachzahlungen verurteilt werden, nach der Rechtsprechung des EuGH ein europarechtlicher Schadensersatzanspruch zustehe, der sich gegen den Bund als Verordnungsgeber der HOAI richtet. Ob ein solches Vorgehen Aussicht auf Erfolg habe, müsse sich jedoch erst zeigen. Der Anwalt des vor dem BGH erfolgreichen Ingenieurs verwies darauf, das manche Schadensersatzansprüche schon verjährt sein könnten.
dpa/jb/LTO-Redaktion
BGH urteilt in Honorarstreit: . In: Legal Tribune Online, 03.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48658 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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