Eine seit 30 Jahren in Deutschland lebende Türkin muss fortan einen Integrationskurs besuchen. Da sie sich nicht einmal auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne, sei sie in besonderer Weise integrationsbedürftig. Das ging aus einer am Montag bekannt gewordenen Entscheidung des VG Karlsruhe hervor.
Die 61-jährige Frau hat sechs Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ihr Ehemann ist Inhaber eines Lebensmittelladens. Bei einem Termin stellte die Ausländerbehörde fest, dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist und verpflichtete sie daher zur Teilnahme an einem Integrationskurs.
Dagegen klagte die Türkin vor dem Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe. Ihrer Ansicht nach habe sie ihre Integration durch ihren langjährigen Aufenthalt in Deutschland unter Beweis gestellt. Ihre sechs Kinder seien gut ausgebildet und zahlten Steuern. Wegen der Berufstätigkeit ihrer Kinder müsse sie die Enkelkinder betreuen. Ihre Sprachdefizite seien nicht auf fehlende Integration zurückzuführen, sondern darauf, dass sie Analphabetin sei.
Hohes staatliches Interesse an Verständigung
Dem ist die 4. Kammer des VG nicht gefolgt. Die Frau könne sich nicht einmal auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen, was sich auch in der mündlichen Verhandlung vor Gericht gezeigt habe, in der sie kein Wort Deutsch gesprochen habe. Es bestehe ein besonders hohes staatliches und gesellschaftliches Interesse daran, dass sich alle auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländer zumindest auf einfache Art sprachlich verständigen könnten. Die vom Gesetz geforderte Integration lasse sich durch die Integration ihrer Kinder nicht kompensieren.
Die Teilnahme an dem Kurs sei der Klägerin auch zumutbar. In der näheren Umgebung ihres Wohnorts würden Kurse angeboten, die auf Analphabeten und Personen zugeschnitten seien, die noch nie im Leben eine Schule besucht hätten. Auch die Betreuung ihrer Enkelkinder sei damit vereinbar, da die Unterrichtsangebote auf solche Bedürfnisse abgestimmt seien (Urt. v. 10.10.2012, Az. 4 K 2777/11). Die Frau hat mittlerweile beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim die Zulassung der Berufung beantragt.
plö/LTO-Redaktion
VG Karlsruhe zur deutschen Sprache: . In: Legal Tribune Online, 27.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7645 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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