Bayerischer VerfGH verhandelt über Integrationsgesetz: "Leit­kultur"-Unter­richt auf dem Prüf­stand

29.10.2019

Wer sich nicht an die Regeln hält, muss die "Leitkultur" pauken. So sieht es das bayerische Integrationsgesetz seit Januar 2017 vor. Aber ist das verfassungskonform? Der bayerische VerfGH verhandelte am Dienstag.

Seit Inkrafttreten des bayerischen Integrationsgesetzes haben die Behörden im Freistaat bis Ende Juni dieses Jahres 83 Menschen zu Grundkursen "über die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" verdonnert. Das geht aus Zahlen des Innenministeriums hervor. Ob diese gesetzliche Regel bei Verstößen gegen die "Leitkultur" überhaupt verfassungsgemäß ist, entscheiden die höchsten Richter Bayerns am 3. Dezember. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) verhandelte am Dienstag in München zwei Klagen der Fraktionen von SPD und Grünen, die das Gesetz als verfassungswidrig bezeichnen (Az. 6-VIII-17, 7-VIII-17).

Die Grundkurse sind nur ein Teil des umstrittenen Gesetzes. Migranten, die sich dem Erlernen der deutschen Sprache verweigern, müssen mit Sanktionen rechnen. Und wer die deutsche Rechts- und Werteordnung missachtet, muss an einem der Grundkurse darüber teilnehmen, wenn er kein Bußgeld riskieren will. Außerdem sollen Medien mithelfen, die "Leitkultur" zu vermitteln und in Kindergärten "zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur" gelernt werden.

SPD und Grüne stören sich besonders am Begriff "Leitkultur". Der Anwalt der Sozialdemokraten kritisierte, die Bedeutung sei schwammig formuliert. Mit der Forderung an die Medien, bei der Verbreitung der "Leitkultur" mitzuhelfen, werde außerdem die Programmfreiheit angegriffen.

Außerdem monieren die Oppositionsparteien, dass Bayern sich mit den Regelungen nicht an die Gesetzgebungskompetenzen halte. Die Sanktionen für Verstöße gegen die Rechts- und Werteordnung und das Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung verletzten zudem die Meinungsfreiheit.

CSU: Opposition will politische Debatte in Gerichtssaal verlagern

Aus Sicht des Erlanger Jura-Professors Andreas Funke, der die Position der Grünen vor Gericht vertrat, regelt das Gesetz nicht, wie die staatliche Verwaltung die "Leitkultur" umsetzen solle. Behörden könnten ihr eigenes kulturelles Verständnis entwickeln. Aus diesem Grund verletzt das Gesetz nach Ansicht der Kläger das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Die Grünen-Abgeordnete Gülseren Demirel hatte schon vor der Verhandlung mitgeteilt: "Nicht nur Migrantinnen und Migranten, auch Unternehmen und Medien werden zu diesem völlig blödsinnigen Leitkult verpflichtet. Integration wird hier verhindert statt gefördert."

Für die CSU-Fraktion erklärte Tobias Reiß, das Gesetz sei nicht verfassungswidrig. Er könne nicht nachvollziehen, warum die Opposition "allergisch" auf den Begriff "Leitkultur" reagiere. Migranten müssten ihre eigenen Wurzeln nicht verleugnen. Von einem Vertreter der Staatsregierung hieß es, die Fraktionen "versuchen eine politische Debatte aus dem Plenarsaal in den Gerichtssaal zu verlängern".

Nach einer stundenlangen Sitzung bis in die frühen Morgenstunden hatte der Landtag das Gesetz im Dezember 2016 beschlossen - damals überstimmte die CSU mit ihrer absoluten Mehrheit die Opposition. Das Gesetz trat daraufhin im Januar 2017 in Kraft.

dpa/mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Bayerischer VerfGH verhandelt über Integrationsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38459 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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