Die angefochtene OB-Wahl in Greifswald muss nicht wiederholt werden. Der unterlegene CDU-Bewerber hatte vergeblich eine verrutschte Fußmatte ins Feld geführt. Das VG Greifswald wies seine Klage am Dienstag ab.
Der Kandidat der CDU, Jörg Hochheim, war bei der Stichwahl zum Greifswalder Oberbürgermeister im Mai 2015 nur knapp unterlegen. Konkurrent Stefan Fassbinder von den Grünen gewann mit einer Mehrheit von nur 15 Stimmen. Die CDU stellte seit 1990 die Stadtoberhäupter in Greifswald. Seit der Bundestagswahl 2013 gehört Greifswald zum Wahlkreis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Einen Grund für seine Niederlage – zumindest aber für einen ungültigen Wahlvorgang und damit für eine Neuwahl – sah der CDU-Politiker in einer verrutschten Fußmatte. Ihretwegen war die Tür zu einem Wahllokal für "bis zu 90 Minuten" verschlossen.
Das Verwaltungsgericht (VG) Greifswald sah dies nun anders. Es liege zwar ein Wahlfehler vor, jedoch kein erheblicher, entschied das Gericht. Eine Neuwahl sei damit nicht erforderlich.
Der Gesetzgeber gehe vom "mündigen informierten Aktivbürger" aus, der trotz zeitweilig verschlossener Tür ein zweites Mal zur Wahl gehen oder nach anderen Zugangsmöglichkeiten suchen würde, so der Vorsitzende Richter Harald Hünecke. Zudem liege eine Unregelmäßigkeit nur dann vor, wenn es durch die Mitglieder des Wahlvorstandes zu einem Fehlverhalten gekommen sei. Das Gericht konnte in der zeitweilig geschlossenen Tür jedoch keinen Verstoß gegen die "Grundsätze der Öffentlichkeit und Allgemeinheit von Wahlen durch die Wahlorgane" erkennen.
Von Köln bis Hiddensee: Wahlpannen in Deutschland
Von verbrannten Stimmzetteln bis zur verrutschten Fußmatte: Pannen kommen bei Kommunalwahlen immer wieder mal vor. Nur in wenigen Fällen landen sie aber vor Gericht wie jetzt der Fußmatten-Streit von Greifswald.
Zuletzt machte Köln, immerhin eine Millionenstadt, Negativschlagzeilen. Dort hat man in den vergangenen Jahren ausgiebige Erfahrungen mit Wahlpannen gemacht. Nachdem es bei der Kommunalwahl 2014 bei der Auszählung der Stimmen zu Ungereimtheiten gekommen war, in deren Folge die Stimmen eines ganzen Wahlbezirks erneut ausgezählt werden mussten, kam es bei den Oberbürgermeisterwahlen 2015 gleich zu einer Doppelpanne: Erst waren die Parteibezeichnungen im Verhältnis zu den Familiennamen auf den Stimmzetteln zu groß, die Wahl wurde verschoben. Dann waren Briewahlunterlagen unvollständig oder entsprachen nicht dem vorgeschriebene Muster. Zu einer Neuwahl kam es aber auch in der Domstadt nicht, allerdings wurden Stimmen teilweise neu ausgezählt.
Mitarbeiter der Gemeinde Selters im Taunus verbrannten bei der hessischen Kommunalwahl im März 2011 aus Versehen nicht nur leere Stimmzettel, sondern auch die ausgefüllten Briefwahlunterlagen von 655 Bürgern. Dabei wollten die Angestellten nur aufräumen. Bei der Kreistagswahl im sächsischen Zwickau im Mai 2014 wurden beim Summieren der Stimmen auf den Zähllisten ganze Blöcke vergessen. Offenbar hatte Übermüdung am späten Abend zur Unachtsamkeit geführt.
Ein weiterer spektakulärer Fall ereignete sich 2009 in Dortmund: Einen Tag nach der Kommunalwahl räumte der SPD-Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer ein 100 Millionen Euro großes Haushaltsloch ein. Die CDU schäumte, sprach von "beispiellosem Betrug", auch der grüne Koalitionspartner wandte sich von der SPD ab. 2011 entschied das Oberverwaltungsgericht, dass die Wahl wiederholt werden muss. Es blieb trotzdem alles beim Alten: Die SPD behauptete ihren Wahlsieg.
Auf der Ostseeinsel Hiddensee wurde 2009 die Bürgermeisterwahl per Gericht für ungültig erklärt. Der Amtsinhaber hatte den Bewohnern Gratisfahrten zum Wahllokal versprochen.
Mit Material von dpa
mbr/LTO-Redaktion
VG Greifswald zu Oberbürgermeisterwahl: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18194 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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