VG gibt Eilantrag statt: Roger Waters darf in der Frank­furter Fest­halle auf­t­reten

24.04.2023

Wegen seiner politischen Äußerungen und Kritik an seiner Bühnenshow versuchen mehrere Städte, die Auftritte des Musikers Roger Waters zu verhinden, so auch Frankfurt. Das örtliche VG gab dem Künstler aber im Eilverfahren Recht.

Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main hat dem Eilantrag des britischen Sängers Roger Waters auf Verschaffung des Zugangs zu der Festhalle Frankfurt überwiegend stattgegeben (Beschl. v. 24.04.2023, Az.: 7 L 1055/23.F). Die Entziehung der Nutzung der Halle verletze den Sänger in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 des Grundgesetzes (GG), heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Im Herbst 2022 schloss die Messe GmbH mit der Produktionsfirma des Sängers einen Vetrag zur Durchführung des Konzerts in der Festhalle im Mai 2023. Die Stadt Frankfurt am Main und das Land Hessen sind Gesellschafter der Messe GmbH, sie halten zusammen 100 Prozent der Geschäftanteile. Kurz darauf sagte die Veranstaltungsfirma das Konzert aber ab und weigerte sich, dem Pink-Floyd-Mitgründer die Halle zur Verfügung zu stellen. Grund dafür seien mögliche israelfeindliche Äußerungen des Künstlers sowie mögliche israelkritische Teile seiner Bühnenshow. 

Historische Bedeutung der Festhalle steht dem Konzert nicht im Wege

In der Festhalle wurden zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur im November 1938 nach der Reichspogromnacht mehr als 3.000 jüdische Männer aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet zusammengetrieben, festgehalten, schwer misshandelt und anschließend der Deportation in die Konzentrationslager zugeführt. Entsprechende Gedenktafeln sind in der Rotunde der Halle und auf dem Vorplatz aufgestellt. Auf diesen Standpunkt stellte sich die beklagte Veranstaltungsfirma der Stadt, als sie das Konzert absagte.

Das örtliche FG konnte die Firma damit aber nicht überzeugen. Aus der Gestaltung des Geländes ergebe sich keine irgendwie geartete konkludente Widmungsbeschränkung, so das VG. Die Festhalle sei als Event- und Konzerthalle aufgrund der bisherigen Benutzungspraxis allgemein für Veranstaltungen und Konzerte von internationalen Künstlern sowie für Messen, Ausstellungen und Kongresse von Unternehmen gewidmet. Das geplante Konzert sei von diesem Widmungszweck umfasst. Insoweit habe der Sänger einen Verschaffungsanspruch auf Zugang zu der Halle aus Art. 3 GG i. V. m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung.

Durch die Absage des Konzerts und die Entziehung der Nutzung der Festhalle werde der Sänger in seiner Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verletzt. Die Konzertveranstaltung sei als Kunstwerk zu betrachten. Bei einer Beschränkung der nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährten Kunstfreiheit müsse entsprechend den verfassungsrechtlichen Wertungen zur Meinungsfreiheit bei Kunstwerken, die mehrere nachvollziehbare Interpretationsmöglichkeiten zulassen, diejenige Lesart gewählt werden, die nicht als in irgendeiner Form rechtswidrig oder gar sanktionsbedürftig einzustufen sei. Danach verletze das Konzert nicht die Menschenwürde der damals in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer. Außerdem lasse sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden nicht zweifelsfrei feststellen.

Geschmacklos, aber nicht NS-Gräueltaten verherrlichend

Das Gericht bestätigte in seiner Entscheidung zwar, dass sich Waters im Rahmen seiner Bühnenshow offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik bediene. Gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle möge die Bühnenshow daher als besonders geschmacklos zu bewerten sein. Eine solche Bewertung entziehe sich jedoch der verwaltungs- bzw. verfassungsrechtlichen Prüfung. Entscheidend sei allein, dass der Auftritt des Antragstellers in seiner Gesamtschau nicht den Schluss zulasse, dass der Antragsteller nationalsozialistische Gräueltaten verherrliche oder relativiere oder sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziere.

Waters wird in der Rechtssache von der Kanzlei Höcker Rechtsanwälte vertreten. Diese bezeichnet den Vorwurf, Waters sei ein Antisemit, als haltlos. Über seine Anwälte hatte der Sänger eine Erklärung abgegeben, in der es heißt: "Antisemitismus ist abscheulich und rassistisch und ich verurteile ihn ebenso vorbehaltlos, wie alle Formen von Rassismus." Nach der Entscheidung des VG Frankfurt am Main freue sich Waters nun auf seinen Auftritt in der Festhalle.

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG gibt Eilantrag statt: . In: Legal Tribune Online, 24.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51616 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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