Jahrelanger Streit um Straßennamen: Ber­liner "Moh­ren­straße" darf umbe­nannt werden

06.07.2023

Seit Jahren wird in Berlin über die "Mohrenstraße" gestritten. Nun hat das VG entschieden: Die Umbenennung war zulässig. Das Bezirksamt habe das Willkürverbot nicht verletzt.

Die umstrittene Umbenennung der Berliner Mohrenstraße durch den Bezirk Mitte in Anton-Wilhelm-Amo-Straße ist zulässig. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin am Donnerstag entschieden (Urt. v. 06.07.2023, Az. VG 1 K 102/22). Im Fokus des Verfahrens stand dabei nicht der inhaltliche Streit um den Begriff "Mohr" und möglichen Rassismus. Historische und politische Gründe hätten keine Rolle gespielt, so Richter Wilfried Peters. Vielmehr ging es um Fragen des Verwaltungsrechts. 

Entschieden wurde über die Klage des Historikers und Journalisten Götz Aly, die das Gericht als Musterklage einstufte. Er und sechs weitere Anwohner der Mohrenstraße im Zentrum Berlins hatten gegen die vom Bezirk Mitte geplante Umbenennung wegen des Begriffs "Mohr" vor dem VG geklagt. Die Klage hat das VG nun abgewiesen. Zuständig für Straßennamen sei nach dem Berliner Straßengesetz der Bezirk.

VG: "Eine Menge Für und Wider", aber keine Willkür 

Da die Be- und Umbenennung von Straßen vorrangig im öffentlichen Interesse erfolge, stehe dem Bezirksamt bei Entscheidungen dieser Art ein weites Ermessen zu, betonte das Gericht. Eine Straßenumbenennung könne daher gerichtlich nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob die Behörde in willkürlicher Weise gehandelt habe. Bei dem Streit um den Begriff "Mohr" und möglichen Rassismus gebe es eine "Menge Für und Wider", aber – und das ist der entscheidende Punkt – "keine willkürliche und fehlerhafte Umbenennung", so Peters. 

So sei es nicht völlig unvertretbar, den sprachlichen Wandel in weiten Kreisen der Gesellschaft, der Ausdruck einer "Änderung des Zeitgefühls" sei, zu berücksichtigen. Die Bezeichnung "Mohr" für Schwarze Personen werde heutzutage jedenfalls teilweise als anstößig empfunden. Bei seiner Entscheidung habe das Bezirksamt damit das Willkürverbot nicht verletzt, so das Gericht. 

Aly hatte argumentiert, die Namensgebung für die Straße vor 300 Jahren sei keineswegs rassistisch, sondern wertschätzend gemeint. Damals seien bestimmte Gruppen durch Straßennamen nicht diskriminiert, sondern hervorgehoben worden. Daher gebe es die Schützenstraße, die Jüdenstraße, den Gendarmenmarkt, den Kadettenweg und den Hugenottenplatz. Straßennamen seien "Schriftdenkmale, die es uns Heutigen ermöglichen, die Vergangenheit unserer Stadt zu lesen und besser zu verstehen". 

Umbenennung wird seit Jahren diskutiert

Über die Umbenennung der Mohrenstraße wird in Berlin seit Jahren diskutiert. Im vergangenen Jahr hatte das VG bereits eine Klage eines Mannes abgewiesen, der sich gegen die Umbennennung der Straße gewehrt hatte, ohne selbst dort zu wohnen. Das Gericht hatte festgestellt, dass neben dem Verstoß gegen das Willkürverbot auch eine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Rechte vorliegen müsse. Eine solche Verletzung könne insoweit lediglich durch Anwohner der von der Umbenennung betroffenen Straße geltend gemacht werden. 

Grüne, SPD und Linke im Bezirk Mitte hatten die Umbenennung schon vor Jahren angekündigt, weil der Name rassistisch und kolonialistisch sei. Die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), deren Ministerium an der Mohrenstraße liegt, hatte im Jahr 2020 den Plan als "sichtbares Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung" begrüßt.

Initiativen wie der Afrika-Rat Berlin Brandenburg und Decolonize Berlin reagierten auf das Urteil und forderten in einer Mitteilung, "dass die Straßenschilder – fast drei Jahre nach dem BVV-Beschluss – endlich ausgetauscht werden". Straßenumbenennungen, Gedenktafeln und Interventionen seien "notwendige Instrumente, um eine Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten im öffentlichen Raum anzustoßen".

Der Bezirk Mitte hatte im Jahr 2021 die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße beschlossen, nach einem afrikanischstämmigen Gelehrten im 18. Jahrhundert in Berlin. 

pab/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Jahrelanger Streit um Straßennamen: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52172 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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