Zum Jahrestag des Hamas-Massakers stellt der Zentralrat der Juden ein Lagebild mit dem Titel "Auswirkungen des Krieges in Israel auf die jüdischen Gemeinden in Deutschland" vor. Die Einschätzungen sind besorgniserregend.
Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 07. Oktober 2023 hat sich die Lage für Juden sowie jüdische Einrichtungen in Deutschland spürbar verschlechtert. Entsprechende Erkenntnisse und Zahlen hat der Zentralrat der Juden (ZdJ) am Montag im Rahmen eines Lagebildes "Auswirkungen des Krieges in Israel auf die jüdischen Gemeinden in Deutschland" vorgestellt.
1.139 brutal ermordete oder in Kämpfen getötete Personen, zahlreiche Verwundete und mehrere Hundert Geiseln – das war das Ergebnis eines Angriffs unter Führung der radikalislamistischen Hamas auf Israel am 07. Oktober 2023. Seitdem befinden sich immer noch 101 Geiseln, unter ihnen auch deutsche Staatsangehörige, in der Gewalt der Hamas und deren Gleichgesinnten im Gazastreifen und werden dort laut Berichten von befreiten Geiseln und laut Erkenntnissen der Vereinten Nationen schwer misshandelt.
"Insbesondere für Israel, aber auch für Jüdinnen und Juden in aller Welt", sei dieses Datum eine "Zäsur", so Zentralrat der Juden. "Es ist Israels 9/11", heißt es weiter. Weil in der Folge antisemitische Straftaten "weltweit explodiert" seien und sich die jüdischen Gemeinden auch in Deutschland in einem "Ausnahmezustand" befänden, nimmt der ZdJ diesen Jahrestag zum Anlass, ein Lagebild vorzustellen.
Zwei von drei jüdischen Gemeinden negativ betroffen
Hierfür wurden die Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinden und Landesverbände befragt, 93 Prozent dieser Führungspersönlichkeiten nahmen an der Umfrage teil. Das Ergebnis: ein "anhaltenden Ausnahmezustand", weiterhin ein "beispielloser Anstieg des Antisemitismus" sowie ein "verstärktes Unsicherheitsgefühl unter Jüdinnen und Juden in Deutschland". Deshalb wird gefordert, die Bemühungen um die Sicherheit von jüdischen Menschen und Einrichtungen noch weiter zu intensivieren.
Auf etwa zwei von drei jüdischen Gemeinden in Deutschland wirke sich der Krieg in Israel negativ aus, insbesondere die Angst vor Angriffen und weniger Besucher werden insoweit beklagt. Auch geben 70 Prozent der Befragten an, dass sich ihr Leben als Jude im letzten Jahr verändert hat, konkret geht es um ein gesteigertes Misstrauen, ein verschlechtertes Sicherheitsgefühl und einen zunehmenden Rückzug ins Private.
Wiederum gab eine Mehrheit der Befragten an, dass sich das Gemeinschaftsgefühl der Gemeindemitglieder gestärkt habe. Auch kann in weiteren Aspekten festgestellt werden, dass sich die Lage seit Ende 2023 zum Sommer 2024 hin zumindest nicht noch weiter verschlechtert hat – beispielsweise würden mittlerweile weniger Veranstaltungen abgesagt, als noch unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023. Gleichwohl betont ZdJ-Präsident Josef Schuster, dass auf dieser "Gewöhnung an einen Ausnahmezustand" ein Schatten liege und dieser Zustand niemals Normalität werden dürfe.
ZdJ fordert "Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft"
Auch vertreten 82 Prozent der Führungspersönlichkeiten – und damit 4 Prozent mehr als noch Ende 2023 – die Ansicht, dass es unsicherer geworden ist, "als Jude in Deutschland zu leben und sichtbar zu sein". Fast die Hälfte aller Gemeinden war 2024 demnach bereits von antisemitischen Vorfällen betroffen. Hierbei geht es größtenteils um persönliche Beleidigungen, Drohanrufe sowie antisemitische Zuschriften und Schmierereien. Empfanden 2023 noch fast zwei Drittel der Befragten die Solidarität seitens der Mehrheitsbevölkerung, hat sich dieser Wert nun auf nur noch 39 Prozent reduziert. In diesem Zusammenhang steht auch die Zustimmung von gut drei Vierteln der Befragten zur Aussage, dass Israel in deutschen Medien "regelmäßig in einem schlechten Licht" dargestellt werde.
Die noch weiter abnehmende Empathie und Soldidarität mit Juden in Deutschland sei "der bitterste Befund", sagte ZdJ-Präsident Schuster im Rahmen der Vorstellung des Lagebildes.
Unter Berücksichtigung dieses Lagebildes fordert der ZdJ neben einer Intensivierung von Sicherheitsmaßnahmen insbesondere auch mehr Einsatz gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit auf politischer Ebene. Weiterhin solle eine "Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft für die Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland" erfolgen, so der ZdJ.
Der Bundestag, der den Opfern des Hamas-Massakers am Donnerstag (10. Oktober, 9 Uhr) gedenken wird, setzte zuletzt auf eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, um die Einbürgerung von Antisemiten zu verhindern, LTO berichtete hier zu den Hintergründen.
jb/LTO-Redaktion
Zentralrat der Juden stellt Lagebild vor: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55569 (abgerufen am: 11.11.2024 )
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