VG Berlin zur Einstellung in den Polizeidienst: Cannabis-Kon­su­ment darf nicht Poli­zist werden

von Hasso Suliak

16.07.2018

Wer Marihuana raucht oder andere Cannabisprodukte konsumiert, darf in Berlin nicht Polizist werden. Das entschied das VG Berlin im Wege einer Eilentscheidung. Der Deutsche Hanfverband kritisierte den Beschluss.


Wer Cannabis konsumiert, hat nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin keinen Anspruch auf Einstellung in den mittleren Dienst der Vollzugspolizei (Beschl. v. 4. Juli 2018, Az. VG 26 L 130.18).

Ein 40-jähriger Mann bewarb sich 2017 um seine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst. Eine Blutuntersuchung beim Amtsarzt ergab im September 2017 einen Wert von 300 ng/ml THC-Carbonsäure. Laut Pressesprecher Stephan Groscurth gegenüber LTO "ein beträchtlicher Wert, der erheblich über dem Wert der Fahruntüchtigkeit liegt". Der Polizeipräsident in Berlin lehnte daraufhin die Bewerbung wegen Polizeidienstuntauglichkeit ab.

Polizist werden wollte der Mann jedoch weiterhin und bewarb sich im Januar 2018 erneut. Dabei bot er dem Amtsarzt an, dass dieser nochmals sein Blut testen könne. Doch der Polizeiarzt kannte keine Gnade: Auch ohne neuerliche Blutuntersuchung bleibe unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung eine Polizeidiensttauglichkeit ausgeschlossen. Er vermerkte: "Kein Jahr abstinent"“. Mit Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 27. März 2018 lehnte der Polizeipräsident daraufhin die Bewerbung wegen weiter bestehender Polizeidienstuntauglichkeit ab.

"Nicht uneingeschränkt polizeidienstfähig"

Der Polizei-Bewerber wollte diese Abfuhr nicht auf sich sitzen lassen: Er erhob Klage und begehrte vorläufigen Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung - dies auch deshalb, um die für die Einstellung nötige Höchstaltersgrenze von 40 Jahren zu wahren. Zuvor hatte er selbst zwei Blutuntersuchungen durchführen lassen, die offenbar auf keinen weiteren Cannabiskonsum hinwiesen. Gegenüber dem Gericht machte er deshalb geltend, dass er keinerlei Drogen konsumiere, gesundheitlich geeignet sei und deshalb einen Anspruch auf die Einstellung habe.

Das VG Berlin sah das nicht so und bestätigte die Rechtsauffassung des Polizeipräsidenten: Die Einstellung in den Vorbereitungsdienst setze die umfassende Eignung eines Bewerbers voraus. Dies habe die Behörde, der ein weiter Einschätzungsspielraum zustehe, hier zu Recht verneint. Denn Cannabiskonsum könne die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel ziehen. Dies zähle aber zu den Aufgaben von Polizeivollzugsbeamten, so dass ein solcher Bewerber nicht uneingeschränkt polizeidienstfähig sei, wenn der Konsum weniger als ein Jahr zurückliege. Angesichts des festgestellten Blutwertes sei die Behauptung des Antragstellers, kein Konsument zu sein, nicht glaubhaft.

Weiter hielt die 26. Kammer des VG dem Bewerber vor, dass der Antragsteller sich zu seinem früheren Konsumverhalten nicht geäußert habe, sondern nur behauptet habe, keinerlei Drogen zu konsumieren. Auf welchen Zeitpunkt oder gar Zeitraum sich das beziehe, sei, so das VG, seinen Erklärungen nicht zu entnehmen. Die von dem Mann vorgelegten Bluttests wollte das Gericht insoweit nicht gelten lassen: Diese seien nur von "geringem Aussagewert, wenn sie – wie wohl hier - außerhalb eines Drogenkontrollprogramms entstanden sind".

Hanfverband kritisiert die Entscheidung

Für Kopfschütteln sorgte unterdessen die Entscheidung des VG beim Deutschen Hanfverband: Gegenüber LTO sprach er sich gegen derartige Tests bei der Einstellung aus: "Insbesondere weil sie Cannabiskonsumenten unverhältnismäßig stark treffen, da Cannabis deutlich länger nachweisbar ist als andere illegale Drogen", so Florian Rister, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes.  Bei dem gemessenen Wert von 300 ng THC-CooH / ml Blutserum handele sich um ein reines Abbauprodukt. "Es geht also in diesem Fall nicht um aktiven, sondern um einen Wochen bis Monate zurückliegenden Konsum."

Der Hanfverband wies weiter darauf hin, dass der Konsum von egal welcher Droge keine Straftat sei und nur der Besitz strafrechtlich relevant sei. "Mutmaßlich deswegen nutzte der Polizeipräsident Berlin in diesem konkreten Fall den Hinweis auf die Notwendigkeit des Autofahrens als Vorwand, um dem Kläger den Zugang zum Polizeidienst zu verweigern", kritisierte Rister. Wenn sich dies durchsetze, könnten auch andere Arbeitgeber, deren Arbeitnehmer gelegentlich für den Betrieb Auto fahren müssen, solche Tests durchführen und die Einstellung verweigern. Damit würde Deutschland zu einer Art "Land of the Pee", wo wie in den USA Bürger bei Bewerbungsverfahren ständige Urintests ertragen müssten - inklusive optischer Beobachtung des Urinierens um die Abgabe von Falschurin zu verhindern.

Gegen die Entscheidung kann der Mann nun Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.

mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, VG Berlin zur Einstellung in den Polizeidienst: . In: Legal Tribune Online, 16.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29775 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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