Moderne Handys enthalten Unmengen an Daten, darunter auch Intimstes. Sollte ein Zugriff der Ermittlungsbehörden auf die Daten daher nur bei schwerer Kriminalität möglich sein? Der EuGH kam zu ähnlichen Ergebnissen wie jüngst der 74. DJT.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass der Zugang der Polizei zu auf Mobiltelefonen gespeicherten personenbezogenen Daten nicht ausschließlich auf die Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt ist. Die Luxemburger Richter stellten allerdings klar, dass dieser Zugriff eine vorherige Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde erfordert und die Verhältnismäßigkeit gewahren sein muss (Urt. v. 04.10.2024, Az. C-548/21).
In dem konkreten Fall stellte die österreichische Polizei ein Mobiltelefon sicher, nachdem im Rahmen einer Suchtmittelkontrolle ein Paket mit 85 Gramm Cannabis gefunden worden war. Die Beamten versuchten, das Mobiltelefon ohne vorherige Genehmigung zu entsperren, um auf die gespeicherten Daten zuzugreifen. Dabei dokumentierten sie ihre Entsperrungsversuche nicht und informierten auch den Betroffenen nicht über ihr Vorgehen. Dieser erfuhr erst im Nachhinein von den Versuchen, das Mobiltelefon zu entsperren, nachdem er bereits gegen die Sicherstellung Beschwerde erhoben hatte.
Der EuGH hatte nun darüber zu befinden, ob die österreichische Regelung, die der Polizei diesen Zugriff ermöglicht, mit dem Recht auf Achtung des Privats- und Familienlebens (Art. 7 EU-Grundrechtecharta) und dem Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 EU-Grundrechtecharta) vereinbar ist.
Keine pauschale Beschränkung auf schwere Kriminalität, aber…
Der EuGH stellte zunächst klar, dass die einschlägigen Unionsregelungen nicht nur für erfolgreiche Zugriffe auf Mobiltelefondaten gelten, sondern auch für Versuche, Zugang zu erhalten. Dabei kann der Zugriff auf diese Daten als ein schwerwiegender Eingriff in die benannten Grundrechte der betroffenen Person betrachtet werden. Die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten wie Nachrichten, Fotos oder Internetverläufe können tiefgreifende Einblicke in das Privatleben der Person geben und sensible Informationen enthalten.
In diesem Zusammenhang spiele die Schwere der Straftat, die den Ermittlungen zugrunde liegt, eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit des Zugriffs, so der EuGH. Allerdings würde eine pauschale Beschränkung des Zugriffs auf schwere Kriminalität umgekehrt die Befugnisse der Ermittlungsbehörden unangemessen einschränken. Dies hätte eine erhöhte Gefahr der Straflosigkeit zur Folge.
Des Weiteren stellte der Gerichtshof klar, dass es unerlässlich sei, dass der Zugang zu den Daten gesetzlich geregelt sei. Der nationale Gesetzgeber müsse klare Definitionen vorlegen, welche Aspekte, insbesondere die Art der Straftaten, berücksichtigt werden müssen. Der EuGH forderte zudem eine vorherige Genehmigung des Zugriffs durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde, um einen angemessenen Ausgleich zwischen den Erfordernissen der Kriminalitätsbekämpfung und den Grundrechten der Bürger zu gewährleisten.
Darüber hinaus sieht es der Gerichtshof als notwendig an, dass die betroffene Person über die Gründe für den Zugriff auf ihre Daten informiert werde, sobald dies die Ermittlungen nicht mehr gefährde.
EuGH bekräftigt DJT-Beschlüsse
Das Urteil aus Luxemburg dürfte auch für Deutschland relevant sein. Die Regeln der Durchsuchung und Beschlagnahme in der Strafprozessordnung (StPO) unterscheiden aktuell nicht zwischen komplexen digitalen Datenträgern und sonstigen Gegenständen. Damit obliegt es aktuell allein der Auslegungspraxis der Staatsanwaltschaften und Ermittlungsrichter, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall zu konkretisieren.
Auch der 74. Deutsche Juristentag (DJT) hatte sich in der vergangenen Woche in Stuttgart mit dem Thema befasst. Die Strafrechtsabteilung verständigte sich schließlich darauf, dass die bestehenden Regelungen geändert werden müssen, um zu berücksichtigen, dass auf Handys und Laptops Unmengen an sensiblen Daten gespeichert sind.
Wie der EuGH lehnten auch die DJT-Mitglieder nahezu einhellig ab, die Beschlagnahme solcher Geräte im Fall leichter Kriminalität und Ordnungswidrigkeiten pauschal auszuschließen. Eine Mehrheit sprach sich aber dafür aus, gesetzlich klarzustellen, dass der die Durchsuchung oder Beschlagnahme anordnende Gerichtsbeschluss bereits die einzusehenden Datenbestände benennen muss. Diese Beschlüsse, über die LTO hier einen Überblick gegeben hat, werden durch das Urteil des EuGH vom Freitag bekräftigt. Ein doppelter Impuls für den deutschen Gesetzgeber.
xp/mk/LTO-Redaktion
Polizei-Zugriff auf Handydaten: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55561 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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