VG Berlin: Keine "Pop-up-Rad­wege" in der Haupt­stadt

07.09.2020

Die Berliner Verkehrssenatorin wollte angesichts der Coronapandemie die "systemrelevante Mobilität" gewährleisten und richtete kurzerhand mehrere Pop-up-Radwege ein. Radwege wegen Corona? Das überzeugte das örtliche VG nicht.

Die sogenannten Pop-up-Radwege, die Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) während der Corona-Pandemie einrichten ließ, sind rechtswidrig und müssen wieder entfernt werden. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin (Beschl. v. 04.09.2020, Az. VG 11 L 205/20).

Im Rahmen der Corona-Pandemie wollte Verkehrssenatorin Günther die "systemrelevante Mobilität" gewährleisten. Ein Großteil der Berliner verfüge über kein Auto und in öffentlichen Verkehrsmitteln sei der Mindestabstand kaum einzuhalten. Deshalb müssten beschleunigt zusätzliche Radwege geschaffen werden, Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr gewährleisten zu können.

Gegen diese provisorischen Pop-up-Radwege an acht Stellen in Berlin wandte sich ein Abgeordneter der AfD mit einem Eilantrag. Er argumentierte, die Radwege entbehrten einer Rechtsgrundlage. Auch hätte es einer Teileinziehung der Straßen bedurft, die fehle. Zudem dürften Radwege innerhalb geschlossener Ortschaften nur außerhalb von Fahrbahnen errichtet werden. Außerdem könnten verkehrsfremde Erwägungen wie die Pandemie nicht zur Begründung herangezogen werden, es komme allein auf eine konkrete Gefahrenlage als Voraussetzung für Radwege an. Eine solche sei durch die Senatsverwaltung nicht dargelegt worden.

VG: Coronakrise hat keinen Bezug zum Verkehr

Das VG bestätigte die Ansicht des Abgeordneten zumindest teilweise und verpflichtete die Stadt, die entsprechenden Beschilderungen zu entfernen. Das Gericht befand, es bestünden "ernstliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der Radwegeinrichtung. Zwar könne die Senatsverwaltung befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe. Unbedenklich sei ebenso, dass der Radfahrstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien. Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und deren Anordnung damit zwingend erforderlich sei.

Eine solche Gefahrenlage habe die Berliner Senatorin aber nicht dargelegt, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, sie müsse eine Gefahrenlage nicht begründen. Tatsachen, die auf eine konkrete Gefahr für den Radverkehr auf den betroffenen Straßenabschnitten hindeuteten, ließen sich der Begründung zur Anordnung nicht entnehmen. Insbesondere könne die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene Erwägungen handele.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42720 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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