Der tragische Tod der Studentin Tugce vor über zwei Jahren schockierte viele. Dem verurteilten Täter droht die Abschiebung. Dagegen geht er vor Gericht vor. Das letzte Wort hat jetzt der VGH in Kassel.
Im November 2015 war die damals 22-jährige Studentin Tugce Albayarak an den Folgen eines Schlags von Sanel M. gestorben. Die ihm drohende Abschiebung will der verurteilte Täter nicht akzeptieren.
Der wegen ihres gewaltsamen Todes verurteilte Sanel M. wehrt sich in zweiter Instanz gegen seine Abschiebung nach Serbien. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden habe Sanel M. am Freitag Beschwerde eingelegt, sagte Gerichtssprecherin Patricia Evers am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das Gericht hatte am 10. Januar 2017 der Ausländerbehörde Recht gegeben und den Eilantrag des 20-Jährigen gegen seine Abschiebung und Ausweisung zurückgewiesen (Beschl. v. 10.01.2017, Az. 4 L 1746/16.WI).
Sanels Beschwerde werde jetzt an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel weiter geleitet, der dann rechtskräftig entscheide, sagte Evers. Bis dahin kann Sanel M., der derzeit seine Strafe im Gefängnis verbüßt, nicht nach Serbien abgeschoben werden. Mit einer Entscheidung des VGH ist frühestens in mehreren Wochen zu rechnen.
Sanel M. hatte die Studentin Tugce vor mehr als zwei Jahren im Morgengrauen auf dem Parkplatz eines Fast-Food-Restaurants in Offenbach so heftig geschlagen, dass sie auf den Kopf fiel. Sie starb wenige Tage später an ihrem 23. Geburtstag. Wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilte das Landgericht Darmstadt den Heranwachsenden im Juni 2015 zu drei Jahren Jugendstrafe. Seine Revision hatte der Bundesgerichtshof abgelehnt.
Nachholung sozialer Integration unwahrscheinlich
Die Wiesbadener Ausländerbehörde hatte Sanel M. Ende September 2016 für acht Jahre aus Deutschland ausgewiesen und ihm mit der sofortigen Abschiebung gedroht. Es bestehe ein besonders schwer wiegendes öffentliches Interesse an der Ausweisung, habe die Behörde unter anderem argumentiert. Gegen die Ausweisung hatte sich der 20-Jährige vor dem Verwaltungsgericht gewehrt.
Die Behörde habe zu Recht angenommen, dass von Sanel M. die Gefahr erneuter Straftaten ausgehe und sein Aufenthalt in der Bundesrepublik eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedeute, heißt es in der Begründung der Wiesbadener Kammer. Sie stützt ihre Einschätzung unter anderem auf das Urteil der Darmstädter Richter sowie auf ein vom Wiesbadener Gefängnis eingeholtes psychologisches Gutachten.
In der Haft habe Sanel M. zudem nicht nur mehrfach gegen die Hausordnung verstoßen, es seien auch ein Disziplinar- und ein Strafverfahren eingeleitet worden. Trotz positiver Entwicklungsansätze bestehe ein erhebliches langfristiges Risiko, dass er rückfällig werde. Es sei angesichts seiner Persönlichkeitsstruktur zweifelhaft, dass der Heranwachsende seine gescheiterte wirtschaftliche und soziale Integration in Deutschland nachhole. Es könne ihm zugemutet werden, in Serbien neue Bindungen und Beziehungen einzugehen, auch wenn ihm dies zu Anfang schwer fallen dürfte, argumentierte die Wiesbadener Kammer.
Das VG muss noch in der Hauptsache über den Antrag von Sanel M. entscheiden. Dies kann aber auch nach einer Ausweisung geschehen. Ein grundlegend anderer Tenor als im Eilverfahren gilt als unwahrscheinlich.
dpa/nas/LTO-Redaktion
Ausweisungsverfahren im Fall Tugce: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21856 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag